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„Von sanftem Traum umflossen“. Ein Moment mit … Tenor Malte Müller über sein Debütalbum

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Das Interview führte Barbara Hoppe.

Feuilletonscout: Herr Müller, Sie haben Ihre erste CD „Von sanftem Traum umflossen“ genannt. Was verbinden Sie persönlich mit einem solchen Titel?
Malte Müller: Zunächst ist der Titel „Von sanftem Traum umflossen“ ein Zitat aus der Gedichtsammlung „Liebesfrühling“ von Friedrich Rückert, das sich auf unserer CD auch in dem Lied „Ich lag von sanftem Traum umflossen“ in einer Vertonung von Wilhelm Kienzl findet. Darüber hinaus gibt diese Aussage ein grundlegendes Gefühl wieder, das m.E. viele Rückertsche Gedichte prägt. Für mich spiegelt dieser Vers das Changieren zwischen Traum und Wirklichkeit wider, was in gewisser Weise ein grundlegendes Element der romantischen Dichtkunst und somit auch des Kunstliedes darstellt.

Feuilletonscout: Sie singen darauf Lieder nach Gedichten von Friedrich Rückert. Man kennt Vertonungen dieses Dichters von Gustav Mahler. Wessen Kompositionen hören wir auf Ihrem Album?
Malte Müller: Neben den sog. „Fünf-Rückert-Liedern“ von Gustav Mahler, darunter das vielleicht bekannteste Rückert-Lied überhaupt „Ich bin der Welt abhandengekommen“, die natürlich auch auf unserem Album zu hören sind, findet sich dort eine Auswahl an verschiedenen, teils kaum bekannten Liedvertonungen: So haben wir neben einer frühen Kompostition Alban Bergs auch Lieder von Giacomo Meyerbeer, Franz Liszt, oder auch von der Frankfurterin Hannah Mathilde von Rotschild, die als kunstinteressierte und musikalisch gebildete Mäzenin selbst kleinere Werke verfasste, augewählt. Mit dem Lied „Des fremden Kindes heil´ger Christ“ findet sich auch eine Ballade vom Meister des Erzählliedes Carl Loewe auf unserer CD. Des Weiteren ist der selten aufgeführte, für Sänger und Pianisten herausfordernde Rückert-Zyklus op. 46 von Richard Strauss zu hören. Natürlich dürfen auf einem Rückert-Album Robert Schumanns „Widmung“ oder Franz Schubert „Du bist die Ruh“ nicht fehlen. Eine Rarität dürften auch zwei Lieder des bereits zuvor erwähnten österreichischen Komponisten Wihelm Kienzl darstellen. Mit „Aus der Jugendzeit“ von Robert Radecke haben wir einen Vertreter des im Volkston gehaltenen Liedes mit dabei.

Feuilletonscout: Wie sind Sie auf diese Lieder gekommen?
Malte Müller: Zunächst wollte ich unbedingt „Ich bin der Welt abhandengekommen“ von Gustav Mahler aufnehmen. Dieses Lied mit seiner wunderbaren spätromantischen Tonsprache und mit dem langen Klaviervorspiel, das die Stimmung – Flucht in die eigene Isolation, weg vom Weltgetümmel – beschreibt, hat mich schon immer fasziniert und begeistert, vor allem wenn es am Ende heißt : „Ich leb‘ allein in meinem Himmel, In meinem Lied“. Auch der Produzent des Albums unterstützte mich bei dieser Idee. Bei weiterem Überlegen wurde mir bewusst, dass viele Lieder, die ich bereits kannte, auf Gedichte von Friedrich Rückert komponiert wurden. Dazu zählen z.B. die zuvor genannten „Du bist die Ruh“ von Franz Schubert oder auch Robert Schumanns „Widmung – Du meine Seele, du mein Herz“. So begann ich, mich intensiver mit den Gedichten und vor allem mit den Vertonungen von Rückerts Lyrik zu beschäftigen. Dabei wurde mir klar, dass sich doch gerade die renommiertesten Liedkomponisten der letzten beiden Jahrhunderte – mit vielen war Rückert sogar in persönlichen Kontakt – immer wieder mit seinen Gedichten auseinandergesetzt hatten.
Bei der Zusammenstellung eines CD-Programms mit Vertonungen nach nur einem Dichter, versucht man natürlich ein gewisses Spektrum abzubilden. Man schaut sich Noten an, probiert aus, entscheidet sich oder verwirft auch einiges wieder. Bei der Recherche hilft einem heutzutage neben dem klassischen Suchen in Musikbibliotheken auch das Internet: So fand ich z.B. heraus, dass ein ganzer Zyklus mit dem Namen „Liebesfrühling“ von Wilhelm Kienzl komponiert wurde. Wilhelm Kienzl war mir als Komponist der Oper „Der Evangelimann“ ein Begriff. Seine spätromantische Tonsprache – er war großer Richard Wagner-Verehrer – gefiel mir schon immer. Also wollte ich diese Noten finden und ausprobieren. Sie waren aber nirgendwo erhältlich. Letztendlich konnte im Archiv des Verlegers „Breitkopf und Härtel“ ein Exemplar gefunden werden und mir wurde eine Verlagskopie angefertigt. So fanden zwei dieser wunderbaren Kompositionen Eingang in unser Album und eine davon wurde sogar Namensgeber.

       

Feuilletonscout: Sie widmen das Album Ihrem Lehrer, dem puerto-ricanischen Tenor Edgardo Zayas, der Sie auch die Technik des Belcanto lehrte. Was fasziniert Sie am Belcanto?
Malte Müller: Ja, das ist richtig. Während der Aufnahmen verstarb plötzlich und unerwartet mein Lehrer Edgardo Zayas, der mich über viele Jahre begleitete und dem ich sehr viel zu verdanken habe. Zum Belcanto: Belcanto heißt ja zunächst einmal nur „Schönes Singen“ und umschreibt auch eine Musikepoche im Operngesang. Edgardo Zayas, der selbst neben den größten Sängern dieser alt-italienischen Gesangsschule wie Placido Domingo oder Renata Scotto auf der Bühne stand bzw. von diesen selbst lernte, versuchte seinen Schülern in intensiver Arbeit sowohl die Technik als auch den Stil dieser Epoche zu vermitteln. Mich selbst faziniert daran, dass man technisch sehr von der Funktionalität der menschlichen Stimme ausgeht und daher die Natürlichkeit und Individualität einer Stimme fördert. Gleichzeitig erlaubt diese Art des Singens, was vor allem auch für einen Tenor wichtig ist, eine unforcierte Höhe zu erlangen und eine Stimme rund und ausgeglichen erscheinen zu lassen. Darüber hinaus verleiht sie der Stimme Beweglichkeit und ermöglicht freie und präzise Artikulation.

Feuilletonscout: Ein weiteres Ihrer Steckenpferde ist das Kunstlied, was ja, so kann man wohl sagen, mit dem Belcanto Hand in Hand geht. Was ist das Besondere in dieser Liedform?
Malte Müller: Schöngesang – Belcanto ist m.E. auch im Kunstlied wichtig. Vor allem, wenn man sich dem spätromantischen Kunstlied mit der vom Interpreten verlangten Virtuosität, einem großen Tonumfang, extremen Lagenwechseln und langen Phrasen zuwendet, ist eine solide Technik, die ja ursprünglich für die Koloraturen italienischer Opernarien geschaffen wurde, notwendig. Erst dann kann man sich der Metaebene – der Interpretation des Textes, was beim Kunstlied vielleicht nicht zuletzt das Wichtigste ist, widmen. Mich selbst fasziniert bei dieser Gattung die Mannigfaltigkeit der kompositorischen Ausprägungen: Da gibt es die Ballade, das schlichte Strophenlied, das kunstvoll durchkomponierte Lied. Darüber hinaus finden sich nirgendwo sonst so viele verschiedene Affekte und Stimmungen auf engstem Raum, die man als Sänger zusammen mit seinem Begleiter nachzugehen hat. Hier eröffnen sich vielfältige Möglichkeiten etwas Ureigenes oder auch Neues, losgelöst von gängigen Interpretationen, zu wagen.

   
Foto © Val Thoermer
   

Feuilletonscout: Am Klavier begleitet Sie Götz Payer. Woher kennen Sie sich?
Malte Müller: Götz Payer wurde mir vom Label Spektral für unser Projekt als Begleiter empfohlen. Davon unabhängig lernte ich ihn schon viele Jahre zuvor in der Musikhochschule Lübeck kennen, wo ich an einem Meisterkurs bei Gundula Janowitz teilnahm. Obwohl wir zu dieser Zeit nicht miteinander musizierten, waren wir uns sehr sympathisch und beschlossen schon damals irgendwann einmal miteinander zu arbeiten. Nun hat es ja geklappt, wofür ich sehr dankbar bin.

Feuilletonscout: Und wie gestaltete sich die Zusammenarbeit?
Malte Müller: Sehr gut. Götz Payer ist ein äußerst versierter Begleiter, der mit vielen bekannten Kollegen schon als Kammermusikpartner gearbeitet hat. Er hat einen wunderbar runden Ton, aber auch die nötige Virtuosität in seinem Spiel, die gerade bei unserem anspruchsvollen Programm gefragt war. Darüber hinaus geht er auf die Bedürfnisse des Sängers ein und unterstützt ihn.
Da wir doch einige für uns zunächst neue Stücke eingespielt haben, konnten wir gemeinsam unser Programm erarbeiten und uns dabei gegenseitig beflügeln. Vieles ergab sich daher im Enstehungsprozess. Keiner hatte eine vorgefertigte Meinung, die er unbedingt durchsetzen wollte. Gerade diese Gleichwertigkeit beider Musiker ist beim Kunstlied für mich wichtig und unabdingbar.

Feuilletonscout: Gibt es eine Bestimmte Intention oder Stimmung, die Sie mit der CD zum Ausdruck bringen möchten?
Malte Müller: Für mein erste Solo-CD war es mir bei der Zusammenstellung der Liedauswahl natürlich wichtig, mit diesem Album möglichst viele Facetten und Ausdrucksmöglichkeiten meiner Stimme zu zeigen. Darüber hinaus bestärkte meinen Entschluss gerade zu diesem Album der Umstand, dass Friedrich Rückert im Vergleich zu anderen Dichtern im Verhältnis zu seinem doch umfangreichen und bedeutenden Werk bei weitem nicht die ihm gebührende Aufmerksamkeit genießt. Auch eine gewisse Verbundenheit zu dem großen fränkischen Dichter, Weltpoeten und Sprachengelehrten haben mich aufgrund meiner eigenen fränkischen Herkunft letztendlich dazu inspiriert.Feuilletonscout: Wie sind Ihre Pläne? Welches Projekt kommt als nächstes?
Malte Müller: Pläne habe ich viele. Konkret werde ich mit Götz Payer, neben anderen Verpflichtungen, unser Rückert-Programm in Liederabenden aufführen. Besonders freue ich mich auch auf ein Open-Air-Konzert im nordbayerischen Kloster Banz, wo ich zusammen mit einem renommierten Klaviertrio Britische Volkslieder in Bearbeitungen von Ludwig van Beethoven und Joseph Haydn aufführen werde.

Vielen Dank für das Gespräch, Malte Müller!

Malte Müller
Von sanftem Traum umflossen
Lieder nach Friedrich Rückert
Spektral (Note 1 Musikvertrieb), 2018
CD kaufen oder nur hineinhören

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