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Literatur: „Das kurze Leben des Guiseppe M.“ Ein Opfer von Jugendgewalt

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Literatur: „Das kurze Leben des Guiseppe M.“ Ein Opfer von JugendgewaltRezension von Birgit Koß
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Die größte Gefahr, in eine brutale, gewalttätige Auseinandersetzung zu geraten, besteht für junge Männer – weltweit. Meist verheilen die physischen Wunden – manchmal endet es tödlich:

Im September dieses Jahres jährt sich der Todestag von Guiseppe M. zum fünften Mal. Der damals 23-jährige war am frühen Samstagmorgen mit seinem Freund auf dem Weg nach Hause, als die beiden von drei jungen Männern auf einem Berliner U-Bahnhof angepöbelt wurden. Sie wollten den Streit vermeiden, flohen schließlich, dabei rannte Guiseppe panisch über den Kaiserdamm, übersah ein Auto und wurde an einen Ampelmast geschleudert. Noch auf dem Weg ins Krankenhaus starb er. Die Verfolger wurden lediglich zu Bewährungsstrafen verurteilt. Der Richter argumentierte, er wolle ihnen ihren weiteren Lebensweg nicht verbauen. Alle drei sind in der Zwischenzeit wieder straffällig geworden! Die Familie und Freunde gründeten eine Stiftung, um an Giuseppe zu erinnern und Wege aus sinnlosem Hass aufzuzeigen.

Etwa ein Jahr später zog die Schriftstellerin Roswitha Quadflieg nach Berlin und las von diesem Fall. Da sie vor Jahren einen Bruder durch einen Verkehrsunfall – ohne jeden Schuldigen – verloren hatte, berührte sie das Thema besonders, wie gehe ich mit dem plötzlichen Tod eines jungen Menschen um, und sie begann zu recherchieren. Außerdem stellte sie die Frage, wer kümmert sich um die Angehörigen des Ofers und deren Gefühle?

Sie sprach mit der Familie, den Freunden  und Bekannten des Opfers, mit seinen Lehrern und versuchte auch mit den Tätern in Kontakt zu kommen. Dies bezeichnet sie im Nachhinein als naiv – doch der Leser kann deren Reaktion gleich am Anfang verfolgen: „…was denken Sie sich dabei, dass ich nach drei Jahren einfach hier so’n Ding abzieh‘ oder wie? Man will die Sache vergessen. Lassen Sie mich damit in Ruhe…“

Aus den vielen Gesprächen baut die Autorin eine kunstvolle Collage mit über 20 Kapiteln, in denen Guiseppe, aber auch alle Menschen, die mit ihm zu tun hatten, sehr plastisch hervortreten und ihre eigene Stimme gewinnen. Guiseppe wird zum Freund, Sohn  und Bruder, zum Chaoten,  begeisterten Kampfsportler und liebenswürdigen jungen Mann auf der Suche nach seinem Lebensweg. Dabei gelingt Roswitha Quadflieg die Gratwanderung, die Leser Anteil nehmen zu lassen, ohne auf die Tränendrüse zu drücken oder in ohnmächtige Wut zu verfallen. Aber sie zeigt auch die Lebenswelten junger Berliner mit all ihren Träumen und Enttäuschungen und führt die Leser zu der Frage, was müssen oder können wir als Gesellschaft tun, um solche Gewalttaten nicht zu einem akzeptierten Alltag werden zu lassen. Wie groß diese Gefahr ist, zeigt ein „Kalender der Gewalt“ am Ende des Buches, der sich über 10 Seiten erstreckt und lediglich einen Zeitraum von knapp drei Jahren in Berlin umfasst.

Schreiben Sie über die Kommentarfunktion bis Donnerstag, 4. August 2016, 20 Uhr, warum Sie das Buch interessiert. Es entscheidet das Los*. *Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Roswitha Quadflieg
Das kurze Leben des Guiseppe M.,Ein Opfer von Jugendgewalt
Transit Verlag, Berlin 2016
bei amazom mit Blick ins Buch

Lesung:
Donnerstag, 15. September 2016, 19.30 Uhr
Nicolaische Buchhandlung
Berlin älteste Buchhandlung, gegr. 1713
Rheinstraße 65
12159 Berlin

 

Birgit Koß_PortraitBirgit Koß ist freie Journalistin und Ethnologin und hat sich auf außereuropäische Kultur spezialisiert. Sie rezensiert in verschiedenen Hörfunkprogrammen Bücher und freut sich, das Lesen ein „Beruf“ sein kann.

 

 

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