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Bayreuther Festspiele: Isolde ist wiederauferstanden und heißt jetzt Petra Lang

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In der Bayreuther Wiederaufnahme von Katharina Wagners Inszenierung von Tristan und Isolde sticht die weibliche Titelparte mit Stimme und Ausstrahlung hervor. Christian Thielemann und das Festspielorchester begeistern mit einer hochdifferenzierten musikalischen Interpretation eines der Meilensteine der Musikgeschichte. Von Stephan Reimertz.

Isolde:
(wild vor sich hin)
Entartet Geschlecht!
Unwert der Ahnen!
(1. Aufzug)

Das ist keine Darstellerin der Isolde, das ist sie selbst! So erschien die zugleich wuchtige und zarte Erscheinung der Sopranistin Petra Lang manchem Besucher auf dem Grünen Hügels in Katharina Wagners Inszenierung von Tristan und Isolde, die heuer in ihr viertes Jahr geht. Petra Lang ist seit 2005 bei den Bayreuther Festspielen dabei, sang zunächst Brangäne und Ortrud. Ihre Isolde ist ebenso mysteriös wie bei der Premiere 2016. Schon die Erscheinung im dunkelblauen Kleid, sehr heller Haut und kupferrotem Haar scheint der präraffaelitischen Malerei, wenn nicht dem keltischen Mythos selbst entsprungen. Ihre dunkle, tiefe, kupferrunde Stimme tönt wie aus tiefster Vergangenheit. Den Zuhörer überläuft eine Gänsehaut angesichts dieser Begegnung der dritten Art mit der Neuverkörperung der mythischen Liebenden.

 

Der Brieföffner als Schwert

Stephen Gould als Tristan ist eine markante Erscheinung, wenn er auch Probleme mit dem deutschen End-E hat, das bei ihm manchmal wie ein A klingt. Kostümbildner Thomas Kaiser hat es nicht ganz so gut mit ihm gemeint und tut dem fürstlichen Liebenden eine blaue Arbeiterkluft an. Was hat er sich dabei gedacht? Das fragt man sich auch bei der gelblichen Pfadfinderkluft von Markes Mannen. Der König selbst – alternierend gesungen von René Pape und Georg Zeppenfeld – ist mit Hut und pelzbesetztem Mantel als Führer einer privaten Faschistentruppe gekennzeichnet. Mit dieser Figur erlaubt sich Regisseurin Katharina Wagner die meisten Freiheiten. Er gibt dem ihm wie ein Hund aufs Wort folgenden Melot (Raimund Nolte) den Befehl, Tristan zu töten, zerrt im Finale Isolde an der Hand von der Bühne, und Brangäne (Christa Mayer) bleibt mit Tristan allein zurück usw. Begründung in Text oder Musik finden sich für diese Eigenmächtigkeiten nicht. Die Requisiten fallen mickrig aus. Als Schwert, dramaturgisch und ikonographisch ein so entscheidendes Stück dieses Dramas, fungiert in den ersten zwei Aufzügen lediglich ein Brieföffner. Regisseure unterschätzen oft die Bedeutung von Requisiten und begreifen nicht, wie diese so viel größer sein müssen als im wirklichen Leben, um von den Zuschauern wahrgenommen zu werden und ihre Funktion im Drama ausfüllen zu können.

 

 

Wir brauchen eine neue Entrümpelung!

Wie auch die meisten Wohnungen ist die Bühne dieser Inszenierung übermöbliert und falsch beleuchtet. Die Bühnenbildner Frank Philipp Schlößmann und Matthias Lippert zeigen im ersten Aufzug einen ins Beton-Brutalistische übersetzten Piranesi-Treppentraum. Sinnvolle Personenregie ist in der ungemütlichen Umgebung kaum möglich. Der zweite Aufzug führt die Liebenden in ein von Forschern auf der Empore jederzeit überwachte Versuchsanstalt. Nicht nur sind die Liebenden in keinem Moment allein, sie haben auch noch mit der Fremdheit in sich selbst zu kämpfen. Veranschaulicht wird dies durch ein neuartiges Messing-Möbelstück, das aus halbrunden Rippen besteht und sich dem jeweiligen Entfremdungsstadium anpassen kann. Bei Ikea im Sonderangebot gibt es dies an die siebziger Jahre erinnernde sinnlose Möbel noch nicht. Ästhetisch am erträglichsten ist der dritte Aufzug. Wie Hirten in einer Anbetung des siebzehnten Jahrhundert sitzen die Gefolgsleute um den siechen Tristan. In seinem Fieberwahn findet er die vermisste Geliebte als Madonnenfigur in unterschiedlich großen Dreiecken wieder. Unter dem Vorwand, etwas über unsere Zeit aussagen zu wollen, verdecken Regie und Bühnenbild ihre Unfähigkeit zur Schönheit. Kapellmeister Christian Thielemann und das Festspielorchester hingegen bieten eine aufwühlende musikalische Interpretation dieser nicht für den abgedeckten Bayreuther Festspielgraben komponierten Oper; feinnervig, emotional und intellektuell. Die Soloinstrumente sind subtil herausmodelliert. Thielemann hat einen neuen Tristan-Klang etabliert.

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