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Wunderkammer der deutschen Sprache

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Von Barbara Hoppe.

„Ungemein eigensinnige Auswahl unbekannter Wortschönheiten aus dem Grimmschen Wörterbuch heißt das vorliegende 352 Seiten umfassende Buch, und der Name ist Programm: der Band macht nichts anderes als, schön gestaltet, ein ursprünglich über 34.800 Seiten umfassendes Werk auf etwas ein Prozent seines Umfangs zu reduzieren. Und dies nach Lust und Laune des Herausgebers, ohne jeden wissenschaftlichen Anspruch und nur der Idee der Blütenlese folgend, um die seltsamsten, wunderbarsten und unbekanntesten Wortschönheiten aus dem Wortmuseum des Bedeutungswörterbuchs zu befreien und in einer überschaubaren Dosis dem heutigen Leser ans Herz zu legen.“ So schreibt Peter Graf, Herausgeber dieses unglaublich schönen Bandes deutscher Wortkunst und Mitgründer des kleinen und sehr feinen Verlags Das kulturelle Gedächtnis.

1838 begannen Jacob und Wilhelm Grimm mit ihrer Aufgabe, die sie selbst weit unterschätzten. Einem Deutschland, das von Kleinstaaterei geprägt war, wollten sie eine sprachliche Einheit geben. Auf zehn Jahre hatten sie das Projekt angelegt. Rund 80 Mitarbeiter schwärmten aus und besorgten an die 600.000 Belege. Und doch kamen sie nur bis zum Buchstaben „F“. Jacob starb 1863 vier Jahre nach seinem Bruder über seine Arbeit am Artikel zur „Frucht“. Es sollte noch 123 Jahre dauern, bis das Mammutwerk beendet war, nur um sofort in eine Überarbeitung zu gehen. Dank Peter Graf und seiner geduldigen Arbeit (oder seines Vergnügens?) liegt uns seit kurzem eine herrliche Auswahl ungewöhnlichen deutschen Wortguts vor. Zum Schmökern und Schmunzeln, zum Staunen und Stöbern und ungemein schön in Szene gesetzt durch die grafische Gestaltung von 2xGoldstein & Fronczek. Von „Abmurzeln“ – schwer abschneiden, absäbeln – bis „Zwischenlichtenstunde“ aus Roseggers „Laszt uns von Liebe reden“ bewegen wir uns durch Wortschönheiten wie „Honigschlummer“ und „Kribbelkrabbel“, durch Wortironie wie „Quälodram“ (= scherzhafte Göthesche Bildung, wie melodram), Wortspäße wie „Stadtkaffeetante“ für klatschüchtige Frauen und Wortungetüme wie „Stiegelfitzisch“ für das, was wir „durchtrieben“ nennen, und das man inzwischen auch nur noch selten hört.

So lassen wir uns genüsslich von Wort zu Wort treiben und können gar nicht genug bekommen von dem Un-, Neu- und Wiederentdecktem. Wo sind all‘ die Wörter hin, wo sind sie geblieben?

Ungemein eigensinnige Auswahl unbekannter Wortschönheiten aus dem Grimmschen Wörterbuch
Herausgegeben von Peter Graf
Verlag Das kulturelle Gedächtnis, 2017
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Coverabbildung © Das kulturelle Gedächtnis

 

 

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