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Ein Hoch auf den Liedgesang: Rafael Fingerlos singt Klavierlieder

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O Muse, du hast mein Herz berührt
mit einem Liebeshauch!
Eduard Mörike „Auf einer Wanderung“

Feuilletonscout Das Kulturmagazin für Entdecker MusikMan nehme ein zeitloses Motto rund um das ewige Unruhethema Wandern, ziellos in die Welt ziehen, dazu Liebe und diffuse Sehnsucht, Heimat und Ferne, Geborgenheit und die Suche des Ich nach dem richtigen Platz irgendwo zwischen Heimat und Fremde. Und schon kann das heikle Unternehmen „Liedalbum“ starten. Rezension von Ingobert Waltenberger.

Natürlich braucht es für ein gelungenes Liederalbum die richtigen Künstler, die eine treffliche Auswahl an bekannten und weniger geläufigen Liedern vornehmen und zu einem harmonischen Strauß binden. Der junge Salzburger Bariton Rafael Fingerlos, Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper, legt mit seinem hochsensibel die Noten ausleuchtenden Partner am Flügel Sascha El Mouissi nun eine in jeder Hinsicht gelungene Lied-CD vor. Der für Liedgesang scheint‘s prädestinierte Sänger verbindet mit seiner frischen und kräftigen Stimme eine goldrichtige Einfachheit im Vortrag mit expressiver Tongebung, eine perfekte Diktion (die Liedtexte hätten nicht abgedruckt werden müssen, jedes Wort ist verständlich) mit der den Hörer bannenden Gabe eines orientalischen Geschichtenerzählers, die hohe Präzision in den „kleinen Noten“ mit großen sinnstiftenden Phrasen. Die Natürlichkeit, mit der Rafael Fingerlos die poetischen Vorlagen mit den musikalischen Ideen der Komponisten zusammenschweißt, ist ereignishaft. Sein frei fließender Bariton, der eine kraftvolle Mittellage genau so drauf hat wie schwebende Piani in den hohen Lagen, bietet ein Füllhorn an im Moment des Singens neu gemischt wirkenden Stimmfarben.

Das Programm ist klug und artistisch überzeugend gewählt. Es enthält frühromantische Juwelen von Franz Schubert und Robert Schumann, Hochromantisches von Johannes Brahms (“Wie rafft ich mich auf“, mein persönlicher Favorit) und spätromantische Reißer von Richard Strauss und Hugo Wolf. Vor allem aber hält es einige Überraschungen bereit: Alma Mahler kommt mit dem feinen Lied „Die stille Stadt“ zu wohlverdienten CD-Ehren. Raritäten, wie ein Lied des in die USA gegangenen Wieners und kompositorischen Spätzünders Robert Fürstenthal („Reiselied“), dem Fingerlos bei Toccata Classics 2017 eine eigene CD gewidmet hat, geben dem Album jene spezifische Atmosphäre, die Einzigartigkeit garantiert. Dazu zählen zwei Kostproben aus dem Schaffen von Peter Warlock, die neugierig auf mehr machen. Der britische Komponist und Musikkritiker, der sein Schaffen überwiegend dem Lied widmete, war ein wilder Hund, der soff und sich stritt und mit 36 Jahren an einer Rauchgasvergiftung starb. Der tragischerweise erst posthum bejubelte Amerikaner Charles Ives ist mit dem Lied „My native land“ vertreten, während der durchaus anerkannte oberösterreichische Pianist und Komponist Albin Fries eine wunderschöne Vertonung von Goethes „Über allen Gipfeln ist Ruh“ beisteuert. Das Album endet mit dem herzzerreißenden Kärntnerlied „Deine Hände mecht i gspian“.

Fazit: Ein starkes und begeisterndes Lebenszeichen für den Liedgesang.

Fremde Heimat
Rafael Fingerlos, Bariton
Sascha El Mouissi, Piano
Oehms Classics 2020
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