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Das Ohr vom Alltagslärm putzen und die Seele ordnen

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„Mr. Handel’s Musicians“ ist eine launige Händeliade mit Kompositionen der Orchestermusiker vom King‘s Theatre. Von Ingobert Waltenberger.

Beamen wir uns in das bunte, quirlige musikalische London des frühen 18. Jahrhunderts. Die ersten öffentlichen Konzerte in der britischen Hauptstadt fallen in eine Zeit der wirtschaftlichen Prosperität. Ausländische Musiker besonders aus Italien werden mit offenen Armen empfangen. Das Opernorchester der Opernkompagnie am Haymarket war neben all den Primi Uomini und Diven eine wahre Sensation. Es unterhielt 24 Violinen, 2 Violas, 4 Violoncelli, 2 Kontrabässe, 4 Oboen, 3 Fagotte, Flöten, Trompeten, Hörner, Pauken, Theorben und 2 Cembali. Deutsche, Italiener und Flamen waren ebenso mit von der Partie wie Engländer. Diese Musiker, deren illustre Riege u.a. mit Namen wie Pietro Castrucci, Giovani Bononcini, William Babell, Johann Ernst Galliard oder Willem De Fesch  verbunden war, hatten damals selbstverständlich auch als Solisten sowie als anerkannte Komponisten alle Hände voll zu tun.

Das vorliegende Album will einen Abend in einem angesagten Londoner privaten Salon nachempfinden. Wir stellen uns Händel selbst am Cembalo mit seinen Freunden aus dem Orchester vor, wie sie im Kerzenschein die neueste Kammermusik aufführten, nach Lust und Laune improvisierten. Benoît Laurent (Oboe) und seinen Mitstreitern Andreas Küppers (Cembalo) und Marie Deller (Cello, Flöte) gelingt es, die aufgeheizte Stimmung und notenschwangere Atmosphäre eines solchen Konzerts mit viel Spiellust und Experimentierfreude in unsere Wohnzimmer zu pflanzen. In den Archiven haben sie jedenfalls genügend Material gefunden.  Auch Weltersteinspielungen finden sich darunter, wie die Sonata II in G-Dur für Oboe und Continuo von Giuseppe St. Martini (=Sammartini), die Sonata II (aus dem ersten Buch) in c-Moll für Oboe und Continuo von William Babell oder die Sonata I in D-Dur für Oboe und Continuo von Thomas Vincent. 

Wie abwechslungsreich und graziös diese Sonaten die auf Lebenslust und Schein gebauten barocken Welten abbilden, wie wunderbar Cembalo und Oboe noch in den verspieltesten Umgarnungen der melodischen Ranken harmonisieren. Das Vergnügen, dieser rein in Musik gegossenen kunstvollen Rhetorik zu folgen, putzt das Ohr vom Alltagslärm und ordnet die Seele. Mein persönlicher Favorit des Albums ist die fantasievolle, vogelzwitschernde Oboensonate von Thomas Vincent.

Programm der CD:

Sammartini: Sonata II G-Dur für Oboe & Bc
Loeillet of London: Hornpipe
Bononcini: Sonate für Cello & Bc a-moll
Händel: Haste, haste to the cedar aus „Salomon“; Gigue aus der Suite e-moll HWV 438
Babell: Sonata II c-moll für Oboe & Bc
Caporale: Adagio aus Sonata V F-Dur für Cello & Bc
de Fesch: Polly; A Song
Castrucci: Sonata V G-Dur für Oboe & Bc
Galliard: Sonata III F-Dur für Cello & Bc
Vincent: Sonata I D-Dur für Oboe & Bc
Cervetto: Adagio aus der Sonata VI

Mr. Handel’s Musicians
Benoît Laurent
Teatro del Mondo
Perfect Noise, Harmonia Mundi 2018
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