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Beklemmung mit leisen Tönen: „Die Wahrheit“ von Melanie Raabe

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Beklemmung mit leisen Tönen: „Die Wahrheit“ von Melanie RaabeRezension von Kirsten Niemann

Vor sieben Jahren flog der Hamburger Geschäftsmann Philip Petersen zu einem Geschäftstermin nach Südamerika – und verschwand. Niemand weiß, was mit ihm geschehen ist. Vermutlich wurde er entführt, aber es gab nie ein Zeichen. Die traumatisierte Ehefrau Sarah weigert sich über all die Jahre, ihn für tot erklären zu lassen. Erst ganz allmählich hat sie sich mit der neuen Situation arrangiert. Nach sieben Jahren ist Sarah endlich in der Lage, einen Schlussstrich zu ziehen, ein neues Leben zu beginnen. Da erhält sie einen Anruf: Philip ist am Leben, er kommt nach Hause.

Es gibt einen offiziellen Empfang am Hamburger Flughafen, Medienrummel, Blitzlichtgewitter, Rufe, Gedrängel, Geschubse. Sarah wartet gespannt darauf, dass sich die Flugzeugtür öffnet. Hat sich Worte für die Begrüßung zurechtgelegt: „Schön, dass du wieder da bist.“ Menschen steigen aus dem Flieger, einer nach dem anderen. Aber ihr Philip ist nicht dabei. Schließlich steht ein Mann vor ihr, nimmt den gemeinsamen Sohn Leo in den Arm. Aber es ist nicht Philip, es ist ein Fremder. Und mit diesem vermeintlichen Happy End beginnt erst der Horror.DIE WAHRHEIT von Melanie Raabe

Das sei nicht ihr Mann, sagt sie schließlich, aber niemand glaubt ihr. Und der Mann bedroht sie: Beharre sie auf ihrem Standpunkt, werde sie alles verlieren – ihren Sohn, das Haus, ihr ganzes Leben. Ihr Problem: Das Paar hatte sehr zurückgezogen gelebt, seine Mutter ist dement und der gemeinsame Sohn war noch ein Kleinkind, als der Vater verschwand. Niemand kann ihren Zweifel bestätigen. Wer ist der Fremde? Was will er? Ein Katz-und-Maus-Spiel beginnt. Er hat etwas vor, Sarah verfolgt ihn quer durch die Hamburger Innenstadt.

Eine ganze Weile ist der Leser ganz nah bei der Protagonistin, er hat ohnehin keine andere Wahl, als ihr zu glauben. Mit der Zeit keimen jedoch Zweifel auf. Ist sie verrückt geworden? Oder steckt sie vielleicht sogar hinter dem Verschwinden ihres Mannes, wie etwa ihre Schwiegermutter damals schon behauptete? Welches Geheimnis verbindet sie mit diesem Fremden? Die Kölner Autorin Melanie Raabe hat hier einen feinen Psychothriller geschrieben, der es schafft, mit leisen Tönen ein Maximum an Beklemmung auszulösen. Das Buch bleibt spannend bis zum überraschenden Ende.

Melanie Raabe
Die Wahrheit
btb Verlag, München 2016
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Coverabbildung © btb Verlag

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