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Neu im Kino: „Die Epoche des Menschen – das Anthropozän“

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Film Kulturmagazin Feuilletonscout

Rezension von Barbara Hoppe.

Irgendwann packt einen die Wut. Hat die Menschheit immer noch nicht begriffen, dass sie nur diesen einen Planeten hat? Einen wunderschönen dazu, dessen intakte natürlichen Prozesse im Begriff sind, durch massives Eingreifen des Menschen für immer zerstört zu werden.

Auf dem Planeten Erde brennt es. Nicht nur jedes Jahr wieder in Kalifornien oder in Australien. Was in DIE EPOCHE DES MENSCHEN – DAS ANTHROPOZÄN gleich am Anfang brennt, sind 105 Tonnen Elfenbein, für das rund 10.000 Elefanten sterben mussten. Aber, so könnte der deutsche Cineast denken, das alles ist ja weit weg von einem beschaulichen Mittelstandsdeutschland.

Carrara Marmor Quader, Cava di Canalgrande
©Edward Burtynsky, courtesy Galerie Springer, Berlin/Nicholas Metivier Gallery, Toronto

Doch die vielfach preisgekrönten Künstler und Filmemacher Edward Burtynsky, Jennifer Baichwal und Nicholas de Pencier legen gnadenlos den Finger in die offene Wunde: Von den afrikanischen Elefanten geht es in die Industriestadt Norilsk in Sibirien. Hier sorgen eine Buntmetallmine und eine Schwermetallschmelzanlage für den höchsten Grad an Umweltverschmutzung in Russland. Weit und breit ist dank des Sauerstoffmangels kein Grün zu sehen. Und irgendwann sind wir dann in Immerath, Nordrhein-Westfalen. Hier wird für den Tagebau Ort um Ort plattgemacht und durch kraterdurchfurchte Landschaften ersetzt. Wenn sich der Abrissarm in die alte Kirche bohrt, bleibt dem Zuschauer das Herz stehen.

Tagebau
Phosphorabbau bei Lakeland , Florida (USA) 2012
©Edward Burtynsky, courtesy Galerie Springer, Berlin/Nicholas Metivier Gallery, Toronto

Ruhig, fast meditativ, lassen die Filmemacher die Bilder für sich sprechen, was mehr wirkt als jedes mahnende Wort. Der Schauspieler und Umweltaktivist Hannes Jaenicke steuert sachlich, und damit umso eindrücklicher, Fakten hinzu: Ob die Atacama-Wüste, wo der Lithiumabbau für die Batterien vermeintlich umweltfreundliche E-Autos und Smartphones erfolgt, ob der Marmorabbau im italienischen Carrara, ob in British Columbia, wo sich die Sägen durch die alten Wälder fräsen, ob in Lagos oder auf den Müllkippen Kenias, wo täglich 6.000 Menschen in den so genannten Technofossilien graben. Jener Müll also, der nicht verrottet und sich in der Erde ablagert. Ob im Phosphatbergwerk in Florida oder der Tagebau um Immerath. Die Mondlandschaften sehen gespenstisch aus uns lassen ahnen, was schon bald mit der 150 Millionen Jahre alten Unterwasserwelt Indonesiens passieren wird.

Plastik Recycling bei Nairobi / Kenia
©Edward Burtynsky, courtesy Galerie Springer, Berlin/Nicholas Metivier Gallery, Toronto

Nach „Manufactured Landscapes“ (2006) und „Watermark“ (2013) beschließt DIE EPOCHE DES MENSCHEN die filmische Trilogie um den Zustand unserer Welt. Die Filmemacher geben dem Zuschauer keine Chance, die Augen zu verschließen oder mit der Vogel-Strauß-Taktik den Kopf in den Sand zu stecken. Es geht hier um nicht weniger als um die Zukunft des Planeten Erde und damit das Leben auf ihm. Dafür wünscht sich die Anthropocene Working Group die Anerkennung eines neuen Erdzeitalters: Nach dem Holozän sei – so die Gruppe– das Anthropozän angebrochen. Ein Zeitalter, in dem der Mensch die Welt und ihre Prozesse mehr verändert als alle natürlichen Prozesse zusammengenommen.

Wer sich das bildgewaltige Epos um die Zerstörung unserer Welt anschaut, entscheidet sich gegen einen Wohlfühlfilm und für eine Botschaft, die lange nachwirkt. Die Dringlichkeit, zu handeln, ist mehr als gegeben. Jetzt.

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