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Menschen mit Musik: „Wunderkinder“

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Kolumne von Susanne Falk.

Clara Schumann war eines, Felix Mendelssohn Bartholdy auch und Mozart sowieso: Musikalische Wunderkinder gab und gibt es immer wieder. Alma Deutscher reiht sich da aktuell ganz gut ein, genau wie Anne Sophie Mutter einige Jahrzehnte zuvor. Und es gilt: Zum Genie wird man geboren, zum Wunderkind gemacht. Denn was diese begabten Menschen von anderen ihres Alters unterscheidet, ist das Publikum.

Mit Wunderkindern und ihren Eltern ist das so eine Sache: Setzt sich ein Dreijähriger ans Klavier und fängt an Etüden zu spielen, dann ist die Begabung ziemlich offensichtlich. Das können selbst die dümmsten Eltern noch erkennen. Auch in der Mathematik geht das ziemlich schnell. Ein gleichfalls dreijähriges Mädchen, das aus dem Stand heraus multiplizieren und dividieren kann, ist schon ausnehmend auffällig. Und auch kleine Schauspielerinnen oder Maler erkennt man oft recht früh. Was aber, wenn das Kind kein musikalisches, darstellendes, bildnerisches oder mathematisches Genie ist, sondern gänzlich andere Fähigkeiten hat?

Große Reporter lassen sich unter Fünfjährigen eher selten finden, ebenso wenig wie Schriftstellerinnen, Klavierbauer, Ärztinnen, Architekten, Tischlerinnen, Juristen etc. Gewisse Fähigkeiten treten erst zutage, wenn das Kind das entsprechende Alter und die entsprechende Vorbildung bzw. Ausbildung dazu erhält. Genies gibt es also auf vielen Gebieten und nur weil sich das Kind im Rechnen schwer tut, kann es doch trotzdem ein irrsinniges Talent im Züchten von Zierfischen in sich tragen, das erst noch zur Geltung kommen muss.

Bei Wunderkindern kommt etwas hinzu, das vielen anderen Kindern erspart bleibt: Öffentlichkeit. Setzen wir das Wunderkind gleich mit einem Kind, das nachweislich eine Hochbegabung hat, so ist das Alleinstellungsmerkmal eines Wunderkinds sein öffentlichkeitswirksamer Erfolg. Und der ist fast immer mit finanziellem Druck verbunden. D.h. Eltern hatten hier oft ein gesondertes Interesse, das Kind zu fördern, eben weil es das familiäre Einkommen unterstützte oder sogar zur Gänze bestritt. Denken Sie daran, wenn Sie das nächste Mal „The Voice Kids“ schauen, abgesehen davon, dass hier zwar jede Menge äußerst begabter Kinder, aber nur selten Genies zu finden sind, vor allem auf den Jurystühlen.

Clara Schumann hat später entschieden, dass keines ihrer Kinder in ihre Wunderkindfußstapfen treten sollte. Eine solide Ausbildung ja, ein Zirkuspferdchen nein. Abgesehen von der Tatsache, dass sie da relativ kritisch und erstaunlich emotionslos über die Begabung ihrer Kinder urteilte, wollte sie ihnen das wohl schlicht ersparen. Mit soviel Druck in den Augen der Öffentlichkeit umzugehen, ist beileibe nicht einfach. Daran sind schon viele Wunderkinder gescheitert, insbesondere wenn das Talent bleibt, das Publikum sich aber Jüngeren zuwendet, weil sich große Kinderaugen und kleine Finger auf der Klaviatur so gut vermarkten lassen. Alle Kinder werden, wenn es gut läuft, einmal erwachsen, auch Wunderkinder. Man wünscht ihnen, dass sie dann die Chance erhalten, ihr Talent abseits des Publikums entfalten und ausprobieren zu dürfen. Es liegt an uns, dem Publikum, ihnen diese Chance zu gewähren, damit aus Wunderkindern ganz wunderbare Erwachsene werden.

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