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Menschen mit Musik: „Ein Zimmer voll Musik“

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Menschen mit Musik

Kolumne von Susanne Falk.

Ein guter Film braucht drei Dinge: Ein gutes Buch, ein gutes Buch, ein gutes Buch. Behauptete einst Billy Wilder. Nun bin ich zwar Buchautorin, aber ich möchte dem doch vehement widersprechen. Ein Film braucht natürlich noch viel mehr, um wirklich gut zu sein. Das wusste selbstverständlich auch der große Billy Wilder. Neben guten Schauspielerinnen und Schauspielern, einer guten Regie, Produktion etc. ist es vor allem eines: gute Musik!

Es wird schon langsam enervierend. Seit Wochen flötet unser jüngstes Kind auf der Blockflöte die Melodien zu „Fluch der Karibik“ vor sich hin. Stundenlang. Und wenn er sie nicht flötet, dann singt er sie. Wir kriegen die Melodie schon nicht mehr aus unseren Köpfen. Das hat seinen Grund: Der Film wäre ohne die Musik nicht einmal halb so gut, Johnny Depps Darstellung eines der durchgeknalltesten Piraten der Filmgeschichte mal beiseite geschoben. Die Filmreihe verdankt ihren großen Erfolg vor allem einem: Hans Zimmer.

Auf sein Konto gehen zahlreiche bekannte Filmmusiken, etwa zu Rain Man, Thelma & Louise, König der Löwen, Inception und eben der Reihe Fluch der Karibik sowie diverser weiter Filmhits. Der gebürtige Deutsche Zimmer spielt in einer Hollywood-Liga mit John Williams oder Ennio Morricone. Wenn jemand Sie mal zufällig nach dem erfolgreichsten, lebenden deutschen Komponisten fragen sollten, dann können Sie problemlos auf Zimmer verweisen.

Während sich die neue Musik nicht darum bemüht, den Zuhörer mit eingängigen Motiven oder Harmonien zu umgarnen, sondern ihn vielmehr auf allen Ebenen herausfordert, knüpft Filmmusik, unter Hinzuziehung aller elektronischen „Spompanadeln“, wesentlich enger an die Tradition der Spätromantik an als jede andere Musikrichtung. Und: In dem Moment, wo sie aus der bloßen Imitation hervortritt und Tradition in etwas gänzlich eigenständiges verwandelt, erobert sie Ohren und Herzen ihrer Zuhörer.

Wenn also unser Blockflöte trötendes Kind nicht von Hans Zimmer loskommt, es sei denn er spielt gerade Griegs Gassenhauer „In der Halle des Bergkönigs“, dann spricht das für die Qualität der Musik, die so eingängig ist, dass sie einem binnen kurzer Zeit in Fleisch und Blut übergeht. Das war ja mit den Melodien Mozarts, Puccinis oder Verdis einst auch nicht anders, auch diese wurden vom gemeinen Volk nachgesungen. Unvergessen die Szene, als ich, Au-Pair-Mädchen in Rom, eine italienische Nonna durch die Villa Torlonia einen Kinderwagen schieben sah und ihrem knapp einjährigen Enkelkind den Gefangenenchor aus „Nabucco“ vorsingen hörte. Nicht summen, nein, singen, den ganzen Text!

Was Oper und Film gemeinsam haben, ist eben diese einzigartige Verbindung aus Geschichte und Musik. Das eine ist ohne das andere nicht denkbar. Wer also Filme liebt, der tut es deshalb so sehr, weil sie ihn auch musikalisch gefangen nehmen. Der Weg vom Ohr bis zum Herzen ist gar kurz. Der Weg aus meiner Wohnung allerdings auch. Bei aller Verehrung für Hans Zimmer – auch Piratenmütter brauchen mal eine Pause. Und so stehe ich also vor dem Joghurtregal bei Billa und summe unter meiner Maske: „Trinkt aus Piraten, joho.“ Ok, ab morgen wird zur Abwechslung mal Friedrich Cerha aufgelegt…

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