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Menschen im Museum: „Klein, aber laut“

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Kolumne von Susanne Falk.

Ich bin nicht groß. Das ist an und für sich eigentlich kein Problem, ich kann mir ja einen Stuhl heranziehen, wenn ich mal die guten Gläser oben aus dem Küchenregal brauche. Simples Problem, noch simplere Lösung. Was sich nicht so leicht ändern lässt, ist mein Mangel an Autorität der mit einem Mangel an körperlicher Größe einhergeht. Mich nimmt man nicht so schnell Ernst. Da kann ich noch so wichtige Schildchen auf meiner Brust spazieren tragen, auf denen mein akademischer Titel und die Bezeichnung „Security“ stehen. Hinzu kommt mein Geschlecht, an dem ich gleichfalls nichts ändern kann. Und da haben wir das Dilemma: Eine kleine Frau als Security im Museum ist in den Augen vieler Menschen offenbar ein Paradoxon.

K., eine gute Freundin von mir, die noch einen halben Kopf kleiner ist als ich, macht jetzt Krav Maga. Sie sagt, das hilft ihr, Selbstbewusstsein zu entwickeln, weshalb sie auch mehr Autorität ausstrahle. Sollte ich vielleicht auch mal ausprobieren. Allein, ich bin der Typ, der sich allenfalls Kämpfe mit der Pralinenschachtel auf dem Sofa liefert, statt Kampfsport zu betreiben. Scheiß Plastikverpackung. Dasselbe Problem bei CDs und DVDs. Ich meine, wie kriegt man diese Schutzfolie eigentlich runter, ohne sich zum Deppen zu… Wo war ich? Ach ja, mangelnde Autorität. Merke ich gelegentlich bei meinen eigenen Kindern, noch schlimmer wird’s bei Schulausflügen, wo die brave Mutter als Begleitung mit muss. Wer hat denn auch sonst an einem Dienstag um 10.30 Uhr Zeit? Eben: wir Freiberufler. Nur es ist leider so: Fremde Kinder respektieren mich schon mal gar nicht. Bis, ja bis ich meine Stimme erhebe. Das tue ich ungern, manchmal geht es aber nicht anders. Ich bin zwar klein, aber sehr, sehr laut!

Zu der Zeit, als ich als Miniausgabe eines ernstzunehmenden Security-Mitarbeiters durch die Ausstellungshallen eines Wiener Kunsttempels wandelte, mündete das regelmäßig in einen Überraschungsangriff. Stellen Sie sich folgende Szene vor: Pärchen betritt Ausstellung, Frau sieht Bild, Frau gibt Begeisterung für Bild zu erkennen, Mann greift sofort in Brusttasche und holt Kugelschreiber heraus, womit Mann dann wild vor dem Bild herumfuchtelnd Frau das erklärt, was Frau eh schon selbst gesehen hat. Was Mann nicht gesehen hat: mich. Ist ja auch nicht so einfach, zugegeben. Und dann schlug stets meine große Stunde, wenn ich aus der Deckung kam und mit einem gezielten „ABSTAND BITTE!“ laut und deutlich Mann und Kugelschreiber in die Schranken wies. Und kommen Sie mir ja nicht mit piepsenden Lichtschranken. Die beeindrucken Männer mit Kugelschreibern herzlich wenig. Ich allerdings auch nicht. Doch zum Glück greift hier der soziale Mechanismus des Gruppendrucks, denn wenn die Aufsicht den Übeltäter erst einmal in den Augen der Museumsöffentlichkeit lautstark angeht, drehen sich unter Garantie sämtliche Köpfe im Raum zum Mann um und dann war’s das. Der Kugelschreiber verschwindet dahin, wo er hingehört und Frau zieht ihn schnell in den nächsten Raum weiter. Alles gut. Mal abgesehen von der Ächtung meiner Person, die die heilige Ruhe gestört hat, um den Picasso zu retten. Das verzeiht einem dann auch wieder keiner.

Wenn Sie also das nächste Mal in aller Stille ein Museum betreten, dann sehen Sie sich, bevor Sie sich den Bildern zuwenden, einfach mal nach den Aufsichten um. Nicht dass Sie da wen übersehen haben, der sich dann lautstark bemerkbar machen muss, wenn Sie einen Kugelschreiber zücken. Aber das würden Sie ja ohnehin nie tun, oder?!

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Ein Gedanke zu „Menschen im Museum: „Klein, aber laut““

  1. Schön! Nicht aufregen! Größe ist keine Kategorie des Quantums. Vielleicht äußern Sie zu Beginn Ihres Dienstes, wenn die Besucher so nach und nach kommen, am (ausgeschalteten) Telefon mit Ihrer Stentorinnenstimme einen Satz wie: „Da will ich aber vorher gefragt werden!“.
    Vielleicht fragen Sie aber auch mal meinen ehemaligen Klassenkameraden Klaus-Dieter: der konnte mit 1,55 m auf uns herabsehen – und war doch nie hochnäsig. Um ihn herum die spürbare Atmosphäre von Ruhe, Konzentration, Ernst, und in seinem Blick war meist ein klein bißchen Spott, mit dem er uns, die muskelorientierten Athleten, die hochgewachsenen eleganten Schaumschläger und die langen Lulatsche bedachte. Wenn wir uns zu ihm herabbeugten mit nachsichtiger, gönnerhafter Miene, kamen seine leise gesprochenen, sachlichen Worte unaufgeregt, sofort lag der stumme Vorwurf körperlicher Abweichung auf unserer Seite. Wenn er mich manchmal mit seiner BMW Isetta nach Hause fuhr, bestieg er den winzigen Wagen, als erweise er einem Bentley die Ehre seiner Anwesenheit. Klar, daß er Arzt wurde.

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