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Französin als force majeure der Cembalomusik des 17. Jahrhunderts – Marie van Rhijn spielt Elisabeth Jacquet de la Guerre

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Von Ingobert Waltenberger.

Als Musikerin und noch dazu Komponistin im 17. Jahrhundert erfolgreich und angesehen zu sein, war die ultimative Ausnahme. Oder wollen wir Sensation sagen? Es gab weder Musikunterricht für Frauen noch sonstigen institutionellen Beistand. Élisabeth Jacquet stammte aber aus einem musikalischen Haus und der Vater, Organist der Kirche auf der Pariser Île Saint-Louis, muss ein exzellenter Cembalo-Lehrer gewesen sein, wie die Musikerkarrieren aller vier seiner Kinder bezeugen. 

Élisabeth sang und spielte schon im Alter von fünf Jahren am Hofe Ludwig XIV. Was für ein Glück dass der König und seine Mätresse Madame de Montespan an die junge Künstlerin glaubten, ihr wohlwollend gesinnt waren und auch dafür sorgten, dass ihre zahlreichen Kompositionen publiziert werden konnten. Viel Konkurrenz hatte sie ja nicht, nur drei weitere französische Komponisten sollten im 17. Jahrhundert „Bücher“ für Cembalo schreiben. Sie war außerdem die erste Komponistin Frankreichs, von der eine Oper (Céphale et Procris) an der Opéra Paris aufgeführt wurde.

   
Cover © Harmonia Mundi
   

Das aktuelle Album trägt geheimnisvollerweise den Titel L‘Inconstante (= „Die Unbeständige“). Das Wort bezieht sich nicht auf den Charakter dieser außergewöhnlichen Frau, die sich kraft Energie und Können auf dem Gebiet einer absoluten Männerdomäne durchsetzen konnte. Es handelt sich vielmehr um die Bezeichnung einer Chaconne, in der Dur neben Moll für ein breites Hörerlebnis, sei es meditierend oder freudvoll, bald mit Grandezza bald mit Delikatesse sorgen. Und damit dem Hörer einen Spiegel des Lebens, kurzweilig und flüchtig, umwegreich und verschnörkelt vorhält.

Die Verbindung von italienischer Virtuosität mit französischer Grazie, quecksilbrigem Geist und stupender Fingerfertigkeit ist es im Kern, was die Aufnahme der Marie van Rhijn auf dem Cembalo „Diem“ von 1679 mit seinem kräftigen und direkten Klang auszeichnet. Es herrscht wahrlich kein Mangel an Einspielungen der Cembalomusik der Élisabeth Jacquet. Marie von Rhijn hat im Gegensatz zu anderen Kolleginnen die Suiten ganz nach persönlichem Geschmack  so zusammengestellt, wie sich ein musikalischer Abend im Haus der Musikerin und Pädagogin Élisabeth Jacquet in der Pariser Rue Guillaume zugetragen haben mag. Die Werkauswahl  gibt eine gute Vorstellung von der opulenten Verzierungskunst, dem Denken in orchestralen Dimensionen, den tief empfundenen Harmonien, der Brillanz des Kontrapunkts und der Sanglichkeit der Linien dieser Musik

       

Laut Marie van Rhijn repräsentiert die  Musik der Élisabeth Jacquet die künstlerische Quintessenz der Regierungszeit Ludwig XIV. Der Hörer staunt und lässt sich von den perlenden Fontänen dieser Musik, dem sonoren Bouquet, der Kunstfertigkeit und dem Erfindungsreichtum der Musik überwältigen.

Marie van Rhijn
Élisabeth Jacquet de la Guerre: L’Inconstante – Cembalowerke
Evidence (Harmonia Mundi), 2018
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