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Menschen im Museum: „Unbequeme Wahrheiten“

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Menschen im Museum. Kolumne von Susanne Falk

Kolumne von Susanne Falk.

Spiralförmige Eierbecher. Viren. Jeans im Mamilook. Es gibt so einiges, was die Welt nicht braucht. Durch ersteres fallen die Eierschalen immer durch und sauen den ganzen Tisch an. Ich bin mir nicht sicher, ob es irgendein Virus gibt, das für irgendetwas gut ist. Und Mamijeans – also, nein, wirklich nicht! Nein. NEIN! Wer bitte findet das denn schick? (SNL hat dazu vor einigen Jahren einen Sketch veröffentlicht und der war eindeutig ironisch gemeint. Momjeans waren per se unkleidsam. Wer in der Modewelt hat da zum Teufel die Ironie schon wieder nicht verstanden?)

Und dann gibt es da noch die reichlich problematische Unterkategorie der „Kunst, die die Welt nicht braucht“. Statuen von Sklavenhändlern gehören wohl eindeutig dazu, so ziemlich jedes Denkmal eines Südstaatengenerals, genauso wie das eines gewissen antisemitischen Wiener Ex-Bürgermeisters. Der Wunsch, diese Statuen aus dem öffentlichen Leben zu verbannen ist verständlich, oft notwendig und nicht selten überfällig. Da gibt es Fälle, in denen kann man sich auch mit einer hübschen Gedenktafel, die das umstrittene Objekt in historischem Kontext präsentiert, nicht mehr behelfen. Da heißt es schlicht: Das muss weg.

Natürlich kann man die Bronze einer eingeschmolzenen Robert-E.-Lee-Statue für die Schaffung eines neuen Denkmals verwenden, das die afroamerikanische Geschichte angemessen thematisiert. Könnte man auch mit Herrn Lueger so machen: abbauen, einschmelzen, Neues draus gießen. Und natürlich braucht es zuvor einen Diskurs, ob das Entfernen von Denkmälern aus dem öffentlichen Raum wirklich sinnvoll ist, weil zur Geschichtsaufarbeitung eindeutig mehr gehört, als Rassisten aus Bronze vom Platz zu fegen. Geschenkt.

Wenden wir uns einen Augenblick lang der jüngeren deutschen Geschichte zu, stellen wir fest, dass man durchaus sehr differenziert mit bildhauerischen Altlasten umgehen kann. Da wurden ein paar der zu DDR-Zeiten errichteten Lenin-Statuen zerstört, ein paar ordnungsgemäß abgebaut, einige verschwanden spurlos und nicht wenige wanderten in Museen. Ab und an ließ man auch eine Statue bewusst stehen wo sie war. Es kommt einem rückblickend so vor, als ging es hier mehr um die Reduzierung der Menge und nicht so sehr darum, Geschichte im öffentlichen Raum gänzlich zu negieren. Soll heißen: Eine einzelne Statue von Robert E. Lee stehen zu lassen, versehen mit neuer Plakette oder in Opposition zu einem „Gegendenkmal“, wäre wahrscheinlich kein Problem. Aber es gibt deutlich mehr als nur eines. Was also tun mit der ungeliebten Geschichte?

Sich ihr stellen, ist die einfache Antwort. Wenn jeder Schüler lernt, was diese Männer im Verlauf der Geschichte ihres Landes angerichtet haben, dann bekommt die Bronzestatue eine neue Bedeutung. So wird aus einem Denkmal langsam ein Mahnmal. Die Altlasten seiner dunklen Vergangenheit in Museen zu verbannen und den öffentlichen Raum davon frei zu halten, ist keine Lösung. Museen sind keine Schrottplätze der Geschichte. Und Geschichte schreibt man weder neu noch um, indem man sie versteckt. Aber wir können unseren Blickwinkel auf sie ändern und so etwas über uns selbst dazulernen. Dass das manchmal unbequeme Wahrheiten sind, gehört dazu.

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