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Menschen im Museum: „Dumme Antworten auf dumme Fragen“

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Kolumne von Susanne Falk.

In meinem Au-pair-Jahr in Italien hatte ich mir angewöhnt, aufdringlichen Verehrern auf ihre Fragen („Ciao, bella, wie heißt du? Woher kommst du?“) mit der immergleichen Mär zu antworten: „Ich kann dir nicht sagen, wie ich heiße oder woher ich komme, denn ich bin eine Geheimagentin von Interpol.“ Keine Ahnung, ob das strafbar war. In jedem Fall stiftete es genügend Verwirrung, um mich aus dem Staub zu machen. Dumme Fragen verlangen dumme Antworten.

In einem Museum ist das nicht ganz so einfach. Man kann sich, wenn man dort arbeitet, ja nicht einfach so in Luft auflösen. Also ist man gezwungen, sich den dummen Fragen, die an einen herangetragen werden, zu stellen. Das geht nicht immer schmerzfrei ab, für beide Seiten.

Die wahrscheinlich häufigste Frage, die man mir als Museumsaufsicht gestellt hat, war diese: „Sind die Gemälde hier alle echt?“ Das klingt nur beim ersten Mal hinhören blöd, nimmt man einfach mal zur Kenntnis, dass wir uns täglich in einer Welt aus Bildern bewegen. Steht also ein Museumsbesucher plötzlich vor einem echten Seerosenbild von Claude Monet, das er so oder so ähnlich schon auf Taschentücherverpackungen, Schulheften und Schokoladentafeln gesehen hat, dann kann das schon mal zu einer solchen Frage führen. Wann treffen wir denn im Leben schon auf etwas Echtes und Einzigartiges? Da muss man Milde walten lassen, auch wenn man versucht ist zu antworten: „Nein, Sie zahlen hier 12 Euro Eintritt, um sich wertlose Kopien anzuschauen.“

Sehr gerne wurde auch nach dem Wert der Kunstgegenstände gefragt, frei nach dem Motto: „Welches ist denn das teuerste Gemälde hier?“ Je höher der Wert ausfiel, desto zufriedener waren die Besucher. Nannte man ihnen dann den gesamten Versicherungswert der Ausstellung, stieg die Laune gleich noch einmal an. Sie hatten ihr saures Geld gut investiert, indem sie sich eine Eintrittskarte für eine Ausstellung gekauft hatten, die viele, viele Millionen Euro wert war. Da stimmte das Preis-Leistungsverhältnis. Übrigens: Das teuerste Gemälde ist selten das, von dem Sie annehmen, es sei das teuerste.

Der absolute Spitzenreiter aller wirklich dummen Fragen lautete aber: „Was machen Sie, wenn ich jetzt dieses Bild da einfach mitnehme?“ So etwas fragen nur Männer. Und, zugegeben, wenn man sich die kürzlich erst im Wiener Auktionshaus Dorotheum zugetragenen Ereignisse vor Augen führt, dann hat selbst diese Frage eine gewisse Berechtigung. Aber was zum Teufel soll man darauf denn nun antworten? Etwa die Wahrheit? Dass man den Herrn dann auffordern würde, das Bild wieder zurückzuhängen? Klingt nicht sonderlich beeindruckend. Oder man versucht es keck und sagt nur: „Das können Sie ja gerne mal versuchen. Schauen wir doch, wie weit Sie kommen, bis die Polizei Sie eingeholt hat.“ Die Reaktion darauf: ein müdes Lächeln. Oder aber man macht es auf die brutale Art und verkündet mit großen Rehaugen: „Dann muss ich Sie leider erschießen!“ Hab ich einmal gesagt, mach ich sicher nie wieder. Die Stimmung wechselte von belustigt zu panisch in zwei Sekunden, wobei der Besucher mich mit seinen Augen nach Waffen abtastete. Passt auch gar nicht zu mir, ich bin doch schließlich Pazifistin. Und die erste Lektion einer Aufsicht lautet: Kein Bild ist ein Menschenleben wert.

Was also tun, wenn einem jemand dumm kommt? Freundlich bleiben, antworten, Dinge richtig stellen und erklären. Und wenn das immer noch nichts bringt: Vielleicht bietet Interpol ja Umschulungen im Kunstsektor an. Die potentiellen Kunstdiebe kenn ich ja schon.

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