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Jüdische Kulturtage 2023 in Berlin: Literaturzelt

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Von Barbara Hoppe.

Was ist mächtiger – die Feder oder das Schwert? Eine Frage, dessen Antwort ein großes Zelt öffnet. Denn bei den diesjährigen Jüdischen Kulturtagen wird erstmals auch ein Literaturzelt Besucher willkommen heißen, jüdische und israelische Autorinnen und Autoren kennenzulernen. Und zwar genau an jenem Ort, an dem die Nazis vor 90 Jahren über 20.000 Bücher verbrannten. Das Literaturzelt ist damit auch ein Statement: Die Feder, das geschriebene Wort, hat am Ende gewonnen. „Literatur ist grundsätzlich ein Schwerpunkt im Judentum. Aber mit dem Literaturzelt gerade auf dem Bebelplatz wollten wir ein Zeichen setzen. Denn das, was die Nazis vernichten wollten, ist immer noch da“, erläutert Abraham Toubiana den Grundgedanken des neuen Formats im Programm der Jüdischen Kulturtage. Gemeinsam mit Christiane Munsberg, die viele Jahre mit Bertelsmann, ZDF, Deutschlandfunk Kultur und 3sat Gäste auf dem „Blauen Sofa“ empfing, entwickelte der Intendant der Jüdischen Kulturtage Berlin die Idee zu den Lesungen deutsch-jüdischer und internationaler Schriftsteller.

„Die Themen gehen querbeet“, betont Abraham Toubiana. Den Kuratoren war es wichtig, ein Programm zusammenzustellen, dass sich nicht ausschließlich auf die Zeit des Nationalsozialismus beschränkt. Mit Jürgen Serkes Meisterwerk „Die verbrannten Dichter“ beginnt die Reihe dennoch mit dem Gedenken an die Bücherverbrennung von 1933. Dass dies auf dem Bebelplatz geschieht, sei ein Triumph, findet der Autor. „Der Triumph darüber, dass es sich lohnt gegen jeden Versuch aufzutreten, der auf die Zerstörung der Menschenwürde aus ist.“ Serke wird aus der erweiterten Neuausgabe seines Werkes lesen: „Mit dieser Neuausgabe sind die ursprünglichen Geschichten zwar unverändert geblieben, doch die Porträts sind aus der Sekundärliteratur herausgetreten und selbst ein Stück Belletristik geworden“, freut sich der Autor.

Insgesamt präsentieren rund 20 zeitgenössische Autoren, darunter Arnon Grünberg, Shelly Kupferberg, David Safier, Esther Schapira. Lenn Kudrjawizki und Michel Friedman am 8. und 10. September ganz unterschiedliche Themen. Ein besonderer Gast ist sicherlich der Auftritt des israelischen Botschafters in Deutschland, Ron Prosor, der mit Sebastian Engelbrecht vom Deutschlandfunk über 75 Jahre Israel spricht. Ob kulturelle oder politische Fragen, Lebensgeschichten aus Ost und West oder auch Kinderbücher – das Spektrum spiegelt auch das Motto der Jüdischen Kulturtage wider. „Wir haben uns sehr bewusst für das „Kaleidoskop“ als Programmidee entschieden“, führt Abraham Toubiana aus. Die jahrhundertlange Verfolgung von Juden habe dazu geführt, dass Juden immer wieder in andere Länder kamen und neue Kulturen kennenlernten. Zwangsläufig fanden die anfangs fremden Bräuche irgendwann auch Eingang in die jüdische Kultur. Dabei gehe es immer darum, in jeder Situation das Schöne im Leben zu sehen und zu bewahren. „Dazu gehört auch, schlimme Erfahrungen in eine schöne Form zurückzuverarbeiten“, betont Abraham Toubiana. Wer nichts erlebt, habe auch kein Reservoir, aus dem er künstlerisch schöpfen könne. So sei es nur folgerichtig, dass sich eine erlebnisreiche Geschichte auch in der Literatur widerspiegele.  

Ein besonderer Schwerpunkt liegt erstmals auch auf den Angeboten für Kinder. Am Sonntag finden gleich drei Lesungen für Kinder und Jugendliche statt. Die Journalistin, Filmemacherin und Autorin Myriam Halberstam liest aus der zeitlosen Kindergeschichte „Zimmer frei im Haus der Tiere“ von der 1970 gestorbenen Autorin Leah Goldberg. Die in New York geborene und seit 20 Jahren in Berlin lebende Autorin Holly-Jane Rahlens präsentiert ihr für den deutschen Jugendliteraturpreis 2023 nominiertes Märchenbuch „ Future Fairy Tales. Geschichten aus einer anderen Welt“, indem sie bekannte Märchenmotive aus einer futuristischen Perspektive neu erzählt. Julya Rabinowich hingegen widmet sich in ihrem Roman „Der Geruch von Ruß und Rosen“ einem traurigen und derzeit wieder sehr aktuellem Thema: den Auswirkungen von Krieg auf das Leben Jugendlicher. „Die Erfahrungen vieler Jugendlicher mit Krieg habe ich als Dolmetscherin in Psychotherapien und psychiatrischen Behandlungen sehr lange sehr intensiv miterlebt. Die Erfahrungen gingen von aller Arten von Gewalt bis hin zum Tod der Angehörigen, verbunden mit Fluchterfahrung. Mir war klar, dass ich diese Erfahrungen irgendwann weitertragen muss, um anderen davon zu berichten, was Krieg bedeutet und anrichtet“, erläutert die Autorin die bewegende Entstehungsgeschichte ihres Romans.

Christiane Munsberg und Abraham Toubiana zeigen sich über die literarische Vielfalt glücklich. „Was wir den Menschen zeigen möchten, ist die jüdische Kultur, wie wir sie kennen. Und das ist nicht der Holocaust allein. Ihre Kunst ist reich an kulturellem Erbe, Diversität und globaler Verbundenheit. Das möchten wir den Menschen präsentieren. Das ist eigentlich alles. Und das ist etwas Wunderschönes.“

08. und 10. September, 13:00 – 18:45 Uhr
Bebelplatz, Unter den Linden, 10117 Berlin, Deutschland
freier Eintritt
Anmeldung zu den einzelnen Lesungen unter dem jeweiligen Programm:
https://www.juedische-kulturtage.org/literaturzelt

Der Artikel war ebenfalls in der Kulturbeilage “Jüdische Kulturtage” der Berliner Morgenpost, die am 2. September 2023 erschien.

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Jewish Cultural Days 2023 in Berlin: Literature Tent
The question of the power of the pen or the sword opens a grand pavilion at this year’s Jewish Culture Days, where, for the first time, a literary pavilion welcomes visitors to discover Jewish and Israeli authors. This pavilion stands on the historic Bebelplatz, where over 20,000 books were burned by the Nazis over 90 years ago, making it a symbolic statement: The pen, the written word, has triumphed. The Literary Pavilion, as described by Abraham Toubiana, the director of the Culture Days, emphasizes the significance of literature in Judaism and demonstrates that what the Nazis sought to destroy still exists.

The literary events encompass a wide range of themes and commence with Jürgen Serke’s work „The Burnt Poets,“ a tribute to the book burnings of 1933. Alongside renowned authors such as Arnon Grünberg, Shelly Kupferberg, and David Safier, new voices like Lenn Kudrjawizki and Michel Friedman will be heard. The Israeli ambassador, Ron Prosor, will speak about 75 years of Israel.

The Jewish Culture Days consciously present a „kaleidoscope“ of diverse topics to showcase the richness of Jewish culture, which has evolved through centuries of migration and adaptation. The art lies in recognizing and preserving the beauty in life in every situation, even amidst harsh experiences.

This year places a special focus on offerings for children, including readings of timeless children’s stories and modern fairy tales. Author Julya Rabinowich explores the impact of war on the lives of young people in her novel „The Smell of Soot and Roses.“

Christiane Munsberg and Abraham Toubiana are thrilled by the literary diversity of the event and aim to present people with the rich Jewish culture beyond the Holocaust. This culture is characterized by cultural heritage, diversity, and global interconnectedness, and it is something beautiful they wish to share.

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