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Barocke Klänge und Dramen: die Barocktage an der Staatsoper Unter den Linden

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Von Barbara Hoppe.

Wenn es um die Barocktage geht, ist die Begeisterung für das Festival in jedem Satz von Matthias Schulz zu spüren. „Alles, außer Händel“ war das Motto, das der Intendant der Staatsoper Unter den Linden beim Start 2018 ausrief – und das Konzept ging auf, den prominenten Vertreter der Epoche einmal außen vor zu lassen. Die Mühe, Stücke zu finden, die noch nie an der Staatsoper zu erleben waren, wurde belohnt „Die Barocktage haben sich toll etabliert“, freut sich Schulz im fünften Jahr der Konzert- und Opernreihe. „In diesen rund zwei Wochen Barock in so dichter Form zu erleben, ist einmalig. Das etwas andere Klangbild, das hier über die Originalklangensembles aufgefächert wird, passt einfach gut in unser Haus. Die Akustik in den Räumen ermöglicht es, dass beispielsweise die Obertöne der alten Instrumente gut wahrgenommen werden können“, führt er aus. Wenn Gastorchester wie Les Musiciens du Louvre oder auch das Freiburger Barockorchester, die beide in diesem Jahr wieder dabei sind, spielen, gäbe das noch einmal ein ganz anderes Klanggefühl – und für das Publikum aufregende musikalische Reisen.

Staatsoper Unter den Linden / Foto: Marcus Ebener

Reisen, von denen jede einzelne ein Highlight sei, betont Matthias Schulz. Im Mittelpunkt der diesjährigen Barocktage steht das Drama „Medea“. „Das ist schon eine extreme Geschichte, diese Mutter im Ausnahmezustand, die nur noch in der Ermordung der eigenen Kinder einen Ausweg sieht“, meint Matthias Schulz Drei Mal können die Zuschauer den leidenschaftlichen Racheengel aus der griechischen Mythenwelt auf der Bühne erleben. Mit Marc-Antoine Charpentiers „Médée“ aus dem späten 17. Jahrhundert steht sogar eine Premiere auf dem Programm. „Eine großartige Produktion mit unserer ‚Old Boy Band‘“, schmunzelt Matthias Schulz mit einem Augenzwinkern. Unter der musikalischen Leitung von Sir Simon Rattle, mit einem Bühnenbild von Frank Gehry und unter der Regie des US-amerikanischen Theaterregisseurs Peter Sellars, der erstmals an der Staatsoper inszeniert, erleben die Zuschauer mit diesem Dreigestirn ein Berliner Debüt der Sonderklasse. Nicht weniger aufregend dürfte die selten gespielte konzertante Aufführung „Medea“ von Georg Anton Benda aus den 1770er-Jahren sein. Als musikalisches Drama geschrieben, interpretieren die Schauspieler Meike Droste und Max Urlacher Bendas Texte, musikalisch unterstützt von der Akademie für Alte Musik Berlin. Letztere spielt auch bei Luigi Cherubinis „Medea“ unter der musikalischen Leitung von Christophe Rousset. „Cherubinis „Medea“ hatten wir bereits 2018 im Programm, aber seine Musik ist lohnend, auch einmal von einem Originalklangensemble spielen zu lassen“, erklärt Matthias Schulz die Entscheidung, das Werk erneut zu zeigen. „Mit diesen drei Werken ist das noch einmal eine ganz andere Annäherung an diesen Stoff. Ich glaube, es ist schon sehr spannend, hier im Vergleich zu sehen und zu erleben, wie unterschiedlich mit dem Thema umgegangen werden kann“, ist der Intendant überzeugt.

STAATSOPER BERLIN : MITRIDATE: Musik. Leitung: Marc Minkowski, Inszenierung: Satoshi Miyagi, Bühne: Junpei Kiz Kostüme: Kayo Takahashi Deschene , Wanddesign: Eri Fukazawa, Licht: Irene Selka
Pene Pati (Mitridate), Angela Brown (Sifare), Paul-Antoine Bénos—Djian (Farnace), Sarah Aristidou (Ismene), Sahy Ratia (Marzio), Adriana Bignagni Lesca (Arbate) / Foto: Bernd Uhlig

Als Mozart „Mitridate, Re di Ponto“ komponierte, war er erst 14 Jahre alt. Es war eine Auftragskomposition für das Mailänder Teatro Regio Ducale, eine große, abendfüllende Opera seria zu komponieren. Während der Barocktage zeigt die Staatsoper Unter den Linden seine hauseigene Erfolgsproduktion unter der Regie des Japaners Satoshi Miyagi. Aus der Tradition des Kabuki-Theaters kommend, fordere der Regisseur seinem Publikum ab, sich sehr auf die Inszenierung einzulassen, ist Matthias Schulz immer noch beeindruckt. Jede Geste, jeder Gesichtsausdruck habe seine eigene Bedeutung. Zusammen mit einem außergewöhnlichen Bühnenbild entstünden großartige Bilder, die in unseren Breitengraden weitgehend unbekannt seien.

Wem die Barockoper eine Nummer zu groß ist, dem seien die Konzerte ans Herz gelegt. Das Quatour Nevermind, Dorothee Oberlinger & das Ensemble 1700 oder auch die Voces Suaves, die zum ersten Mal gemeinsam mit dem Concerto de‘ Cavalieri auftreten, sind nur einige kammermusikalische Höhepunkte, die im festlich beleuchteten Apollo-Saal in einem etwas intimeren Rahmen in sehr stimmungsvoller Atmosphäre stattfinden.

Lebhaft wird es sicher zugehen, wenn vormittags das junge Publikum die Barockmusik für sich entdeckt. Für Kinder und Jugendliche im Alter von 6 bis 14 Jahren stehen Kinderkonzerte und die Kinderoper „Theseus‘ Reise in die Unterwelt“ auf dem Spielplan.

Das außergewöhnliche Programm der Barocktage zieht jedes Jahr Liebhaber der Barockmusik aus rund vierzig Ländern nach Berlin. Bereits im ersten Jahr lag die Auslastung während des Festivals bei über 90%. Wenn sich Barock-Enthusiasten mit dem Stammpublikum mischten, herrsche eine ganz besondere Atmosphäre im Haus, freut sich Matthias Schulz jedes Jahr aufs Neue. Mit den Barocktagen habe man in Berlin eine Lücke gefüllt, so der Intendant, und er hoffe sehr, dass die Barockmusik in den nächsten Jahren genauso mutig weitergehe.

Barocktage vom 17. bis 26. November 2023
Programm und Tickets: hier

Der Text erschien ebenfalls in der Kulturbeilage „Berliner Bühnen“ der Berliner Morgenpost im November 2023.

Bei Verwendung des Textes bitte Quelle angeben bzw. verlinken.

Baroque Sounds and Dramas: The Baroque Days at the State Opera Unter den Linden
The Baroque Days are a enthusiastically celebrated festival, and Matthias Schulz, the director of the State Opera Unter den Linden, exudes enthusiasm when talking about it. The motto „Everything except Handel,“ which he introduced in 2018, has proven successful as it presents a variety of rarely performed pieces. The Baroque Days have established themselves well in their fifth year, offering a unique experience showcasing Baroque music in all its glory. The special acoustics of the State Opera’s venues allow the overtones of the old instruments to be perceived clearly.

This year, the focus is on the dramatic performances of „Medea,“ including a Berlin premiere of Marc-Antoine Charpentier’s „Médée“ under the musical direction of Sir Simon Rattle and directed by Peter Sellars. Equally impressive is the concert performance of Georg Anton Benda’s „Medea“ from the 1770s. The diversity of these performances demonstrates how differently the theme can be approached.

The Baroque Days also feature concerts by renowned ensembles such as Les Musiciens du Louvre and the Freiburg Baroque Orchestra. For chamber music enthusiasts, there are performances by Quatour Nevermind, Dorothee Oberlinger & the Ensemble 1700, and Voces Suaves, who are performing with the Concerto de‘ Cavalieri for the first time.

For young audiences, there are morning children’s concerts and the children’s opera „Theseus‘ Journey to the Underworld.“ The Baroque Days attract music lovers from around the world and achieved an attendance rate of over 90% in their first year.

The Baroque Days have filled an important gap in Berlin, and Matthias Schulz hopes that the tradition of Baroque music will continue boldly and successfully in the coming years.

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