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Menschen mit Musik: „Ein kleines Chaos“

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Kolumne von Susanne Falk.

Wenn es etwas Gutes an den letzten Monaten gab, dann war es die Ruhe, die sich zwischen 22 und 23.30 Uhr einstellte, um einen der bekannten Streamingdienste „leer“ zu schauen. So kam es, dass ich mich nachts um 23.15 Uhr in Peter Gregson verliebte.

Vielleicht sollte ich mich genauer ausdrücken: Ich verliebte mich natürlich nicht in den Mann (dem bin ich nie begegnet) sondern in sein Cello. Nein, das klingt auch irgendwie falsch. Ich bin ja auch dem Cello nie begegnet. Kurz gesagt: Die Kombination aus Mann, Cello und einem Film mit dem Titel „A Little Chaos“ (zu gut Deutsch „Die Gärtnerin von Versailles“ – wer hat den nur wieder übersetzt???) war einfach unwiderstehlich.

Der Film ist eigentlich von 2015 und war einer der letzten Filme von und mit Alan Rickman, den die Filmwelt schmerzlich vermisst. Ihm verdanken wir die Entdeckung eines jungen Cellisten und Komponisten, der für „A Little Chaos“ die Musik geschrieben hat. Rickman hatte offensichtlich einen guten Riecher für junge Talente, denn inzwischen ist Gregson gut im Geschäft und man darf in diesem Jahr ein neues Album von ihm erwarten. Das bislang herausragendste Werk aus seiner Feder ist jedoch ein Album mit dem Titel „Recomposed by Peter Gregson: Bach – The Cello Suites“, erschienen bei der Deutschen Grammophon 2018. Warum erzähle ich Ihnen das alles? Weil es eine Ungeheuerlichkeit ist – im guten Sinne!

Wenn Schriftsteller sich alter Meisterwerke annehmen, sie dekonstruieren und dann in einer Neuadaptierung etwa auf die Bühne bringen, dann kommt da oft ganz Fürchterliches dabei heraus. (Ausnahmen bestätigen die Regel, eine davon hatte gerade im Theater in der Josefstadt Vorab-Premiere, s. dazu „Der Weg ins Freie“ ) Wenn junge Komponisten glauben, sie seien besser als Bach, wird das Ergebnis ziemlich sicher ebenso furchtbar sein. Dachte ich. Und dann kam Peter Gregson.

In Wien sagt man dazu „Der Mann scheißt sich nix!“, und das trifft es ganz gut. Mit großem Respekt vor dem Original und einer Vielzahl eigener Ideen entsteht plötzlich etwas ganz Magisches. Man darf sich natürlich keinen Bach erwarten. Aber man freut sich an der ungeheuren Lust, mit der Gregson Bach zerlegt und neu, oft verschlankt, wieder zusammensetzt. Das muss man nicht mögen und wer seinen Bach nur im Original erträgt, der höre besser weg. Aber wer anerkennen kann, dass man Altbewährtes zu etwas völlig Eigenem umgestalten kann, der wird mit etwas Großem belohnt. Es ist dieses kleine bisschen Chaos, das der Musik vielleicht gefehlt hat. Dass es mir gefehlt hat, davon hatte bis bis vor kurzem gar keine Ahnung. Welch wunderbare Entdeckung!

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