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Menschen im Museum: „Was uns rettet“

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Menschen im Museum. Kolumne von Susanne Falk

Kolumne von Susanne Falk.

Billa. Netflix. Roller-Skates. Und Lehrer Schmidt, nicht zu vergessen. Es gibt so einiges, was meine Familie über die Corona-Krise hinweg rettet. Denn, wie sagt Hölderlin: Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.

Dank Billa haben wir genügend Zutaten, um mit den Kindern ständig irgendetwas zu backen (und dann auch zu essen). Wir sind also gut im Futter. Netflix ist der Name unseres neuen Babysitters. Dank der Roller-Skates, die wir noch hinten im Schuhregal gefunden haben, hat unser Jüngster genügend Bewegung und flitzt durch Wiens Straßen (Spielplätze sind ja gesperrt) wie ein Wilder. Und Lehrer Schmidt bringt auch noch den dümmsten Eltern bei, wie man Brüche dividiert. (Sehr zu empfehlen für alle Eltern, die im Homeschooling-Wahnsinn die Nerven wegschmeißen, weil Mathe noch nie ihr Ding war.)

Das Wien Museum hat die Einwohner der Donaumetropole dazu aufgerufen, Fotos von Dingen zu schicken, die unseren „neuen privaten oder beruflichen Alltag in Zeiten von Corona begleiten. Eine Auswahl der vorgeschlagenen Objekte soll in einem nächsten Schritt in die Sammlung der Stadt Wien übernommen werden.“ Also, wenn ich das so recht überdenke, müssten wir die Roller-Skates unseres Kindes demnach bald im Wien Museum abgeben. Und vielleicht legen wir eine Liste abgelaufener Streamingdienst-Passwörter dazu.

Optischer Hingucker und Lebensretter: die allgegenwärtigen Gesichtsmasken. Auch so ein Objekt, das uns durch die Krise begleitet, wenn auch kein besonders beliebtes. Obwohl – mir ist erst kürzlich auf der Straße eine Dame begegnet, die hatte ihren Mundschutz mit Pailletten bestickt… Es empfiehlt sich also, eine farbenfrohe Sammlung von Masken anzulegen, wenn man als Wien Museum die aktuelle Krise dokumentieren möchte. Vorerst genügt laut Homepage des Museums wohl auch ein Foto vom rettenden Objekt.

Nun ist es aber so, dass nicht nur die Gefahr unsichtbar ist sondern auch das Rettende. Dem tückischen Virus und der Angst, die er in uns auslöst, setzen wir das Gejauchze unserer Kinder entgegen, wenn sie sich über „Neues vom Känguru“ zerkugeln. Dem beißenden Geruch der Desinfektionsmittel begegnen wir mit dem Duft einer frisch gebackenen Torta Caprese. Und wenn wir Sehnsucht nach der Fremde haben und uns gar so eingesperrt fühlen, schalten wir unsere neue Lieblingsmusik an: Le Festival Au Desert, Musik aus Mali. Das klingt fremd und weit und wüstenwarm und gibt den richtigen Rhythmus vor, zu dem wir Pingpongbälle über unseren Esstisch jagen.

All das trägt uns durch den Wahnsinn aus Homeoffice, Homeschooling, Platz- und Bewegungsmangel hindurch. Genauso wie das, was zwischen uns allen vibriert: Liebe, Zorn, Verständnis, Überforderung, Freude und Angst. Die kann man zwar nicht ins Museum tragen, aber sie sind immer da und gehören, jetzt noch mehr als je zuvor, zu unserem Alltag.

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