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Menschen im Museum: „Allein, allein“

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Menschen im Museum. Kolumne von Susanne Falk

Kolumne von Susanne Falk.

Sie sind wieder offen, jedenfalls hier in Wien. Ein großer Teil der Museen hat wieder geöffnet. Mangels Touristenmassen wäre dies der ideale Zeitpunkt, endlich mal in Ruhe und nahezu allein die eine oder andere Stunde mit Klimt, Schiele und Konsorten zu verbringen. Keine Reisegruppe, welche die Sicht auf meine Lieblingsbilder verstellen könnte, keine Massen von Leuten, die den Eingang verstopfen und nahezu niemand im Shop. Los, Susanne, spricht mein innerer Schweinehund, du brauchst Kultur! Raus mit dir! Du warst lange genug in den eigenen vier Wänden eingesperrt. Mach mal was! Geh mal wieder unter Leute.

Allein – ich will nicht.

Ehrlich gesagt, ich bin erschöpft. Der Wahnsinn aus Homeschooling und Homeoffice hat mich bis an meine Grenzen gebracht und teilweise weit darüber hinaus. Die letzten Monate brachten ein eindeutiges Zuviel an Stress und ein Zuwenig an Ruhe mit sich. Und nun, wo ich wieder könnte, will ich nicht mehr.

Über Monate igelt der Mensch sich mit den Liebsten ein, schaut Streamingdienste rauf und runter und versucht, das Beste draus zu machen. Jetzt, wo das Schlimmste vielleicht vorüber ist und die Freiheit zwar nicht ruft aber doch wenigstens flüstert, höre ich weg. Ich mag nicht mehr unter Leute gehen. Ich bin die letzten Monate auch gut ohne fremde Menschen ausgekommen, warum soll ich das jetzt plötzlich ändern?! Eben.

Seit wann bist du denn so asozial?, fragt mich mein innerer Schweinehund. Geh raus, amüsiere dich! Unternimm was Schönes. Du bist Autorin, Gottverdammt, da braucht es Input! Man kann ja nicht immer nur im eigenen Sumpf herumdümpeln.

Doch, kann man, raunze ich. Ich war ja in den letzten Wochen und Monaten fast nie allein. Und das will ich jetzt! Genau das! Ich will allein sein und keine Menschenseele sehen. Ich will nichts anschauen, ich will nichts hören und shoppen will ich schon mal gar nicht. Ich will nur für mich sein. Bäh!, strecke ich meinem Schweinehund die Zunge entgegen.

Langweilerin, mault das Tier zurück.

Und dann fängt es an zu rattern in meinem unterforderten Schädel, weil, Sie erinnern sich, zu wenig Input… Da dauert alles etwas länger. Was wäre denn, wenn es Museen für Einzelpersonen gäbe? Was, wenn ich mit der Kunst allein in einem Raum sein könnte, nur ich und eine Rodinstatue? Das würde nicht nur die Abstandsregeln in Coronazeiten bestens bedienen, sondern gleichzeitig meinem Wunsch nach Ruhe sehr entgegenkommen. Und ich würde nicht total verblöden, weil ich mir statt der x-ten Staffel von „How I Met Your Mother“ echte Kunst anschauen würde.

Wie das so ist – diese großartige Idee hatten vor mir auch schon andere Menschen. Diesen verdanken wir zum Beispiel das kleinste Museum der Welt (steht angeblich in der Eifel, genauer in Welchenhausen). Das nennt sich wArtehalle, weil es in einem ehemaligen Bushaltehäuschen untergebracht ist. Große Kunst auf kleinstem Raum. Besser kann man das in Corona-Zeiten eigentlich nicht machen.

Nun ist es ziemlich weit von Wien bis in die Eifel und die Grenzen sind zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht offen. (Kann sich bis zur Veröffentlichung dieses Textes natürlich schon geändert haben.) Aber offensichtlich ist Welchenhausen the place to be! Also, sollte die Obrigkeit in Deutschland Kunst endlich für ebenso wichtig erachten wie Dinge des täglichen Bedarfs und sollten Sie in der Nähe wohnen, dann schauen Sie, wenn das wieder möglich ist, vorbei und gehen (allein!) in das kleinste Museum Deutschlands, wenn nicht gar der Welt. Bleiben Sie dort für sich, aber tun Sie es stilvoll! Ihre alten Jeans und Netflix laufen Ihnen ja nicht davon, sondern warten sicher ganz brav daheim, bis Sie zurückkehren.

Und nun raus!, schimpft mich der Schweinehund.

Geh ja schon, maule ich, und erhebe mich vom Sofa. Bist du jetzt zufrieden?

Ja, sagt mein Schweinehund und wedelt freudig mit den Jahreskarten der Wiener Museen, die er aus meiner Geldbörse gezogen hat.

Na dann, sage ich.

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