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Menschen mit Musik: „Alptraumhaft“

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Kolumne von Susanne Falk.

Die Zombies waren überall. Es war schier unmöglich sich gegen sie zu wehren. Da konnte ich noch so viele Möbelstücke zerschlagen und damit auf sie losdreschen, es half doch nur wenig: In stummer Masse begannen sie ihren Vormarsch und hätten mich fast erreicht. Nur die eine grausilbrige Flüssigkeit, an die ich nicht herankam, hätte uns alle retten können. So aber… wachte ich einfach auf.

Alpträume sind nicht automatisch ein Zeichen dafür, dass etwas nicht stimmt. Sie sind vielmehr Ausdruck einer sehr bewegten Psyche. Und da bewegt sich bei mir derzeit offensichtlich einiges. Mein Zombiealptraum von letzter Nacht endete zum Glück durch den beherzten Einsatz meines Katers, der mich mit lautem Gemaunze daran erinnerte, dass er um 5.30 Uhr gefüttert werden wollte, aber dalli. Das ersparte mir immerhin, von Zombies zerfetzt und aufgefressen zu werden, was an und für sich ja schon keine angenehme Vorstellung ist. Dass dies aber nahezu lautlos geschah, machte es noch viel, viel schlimmer.

Ich hasse Horrorfilme und Krimis sehe ich mir nur unter Androhung von Gewalt an. Die Welt ist schon grausam genug. Mir reichen die Nachrichten zum Gruseln. Trotzdem schleichen sich gewisse Elemente des Horrors gerne in meine Träume ein und richten da ihr Unheil an. Was dabei immer fehlt: Musik. Dabei bin ich täglich von Musik umgeben! Abgesehen davon, und da sind wir uns wohl alle einig, gehört zu einem richtig schlimmen Horrorfilm auch der entsprechende Soundtrack. Träume ich, fehlt dieser, der Gruseleffekt wird dadurch aber nicht unbedingt geschmälert. Dabei ist meine innere Filmwelt ja keine Welt des Stummfilms, im Gegenteil: Gesprochen wird hier viel. Nur Musik gibt es nie. Warum ist das so?

Es gibt Hinweise darauf, dass, wenn wir Musik im Traum hören, diese häufiger als positiv denn als negativ erlebt wird. Zu einem Alptraum gibt es dagegen seltener einen echten, musikalischen Soundtrack. Das passt zur These der Wach-Traum-Kontinuität. Verkürzt gesagt: Was unsere Alltagswelt ausmacht, schlägt sich auch in unseren Träumen nieder. D.h. Musiker oder musikaffine Menschen träumen entsprechend von Musik, weil sie Teil ihres Alltags ist. Höre ich also viel, vorwiegend entspannende Musik, fehlt mir quasi der alltägliche Soundtrack zu meinen Angstfantasien im Traum. Was aber nicht erklärt, warum Menschen, die von Geburt an taubstumm sind, in ihre Träume Töne einbauen. Die sensorische Traumwelt existiert hier unabhängig von der tatsächlichen.

Daraus ergibt sich natürlich die Frage: Wenn ich in Zukunft mehr „gruselige“ Musik höre, was auch immer man darunter versteht, würde ich diese dann auch vermehrt in meine Träume einbauen? Sprich: Kann ich mir einen Sound zu meinen tonlosen Alpträumen quasi antrainieren?

Die Bedeutung der Zombieinvasion und der rettenden Flüssigkeit ist ziemlich schnell erklärt: Ich hatte offensichtlich meinen ersten, richtigen Pandemiealptraum. Das, was ich seit März 2020 erlebe, ist endlich auch in meiner Traumwelt angekommen. Eine diffuse Bedrohung von außen verwandelt Menschen in lebende Tote und bedroht meine physische Existenz sowie die meiner Kinder. Dass dies nahezu lautlos geschieht war der eigentliche Knackpunkt – denn auch ein Virus tötet lautlos. Und eine Pandemie hat keinen Soundtrack.

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