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Meine Bücher! „Menschenfreund und Menschenfeind“

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frau mit büchern

Kolumne von Susanne Falk.

Sie sind sehr oft seltsame Gestalten. Sie suchen häufig die Einsamkeit. Doch die besten unter ihnen lieben und brauchen ihn trotzdem, den Menschen, einfach deshalb, weil es dazu gar keine Alternative gibt. Literatur ohne Menschenliebe ist wie ein Boot ohne Wasser: sinnlos.

Man kann kein guter Autor sein, ohne ein bisschen Menschenliebe in sich zu tragen. Die wenigsten von uns schreiben schließlich ihre Texte für die Eichhörnchen im Park. (Den Rest des Tages verbringe ich jetzt wahrscheinlich damit, Autorinnen und Autoren zu googeln, die Texte explizit für Eichhörnchen geschrieben haben. Ist Ihnen da etwas bekannt? Irgendein Roman der im Titel so klingt wie Walnüsse? Haselnüsse? So etwas wie „Auf der Suche nach der verlorenen Nuss“ von Marcel Écureuil?) Wer Literatur mag, der mag auch Menschen. Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass Bücherwürmer und Leseratten nichts für Menschen übrighätten. Wobei das jetzt schon wieder etwas viele Tiervergleiche für eine einzelne Kolumne sind…

Trotzdem benehmen sich nicht wenige Schriftstellerinnen und Schriftsteller mehr als nur ein bisschen daneben im Umgang mit ihren Mitmenschen. Dabei denken wir mal nicht an solche Irren wie Michel Houellebecq oder so mystische Wesen wie Thomas Pynchon und Elena Ferrante. (Letztere könnten ja auch ganz nett sein, weiß nur leider keiner, ersterer fällt definitiv in die Kategorie Menschenfeind.) Schriftsteller ziehen sich aus sehr nachvollziehbaren Gründen von der Menschheit etwas zurück, während sie arbeiten, weil man Romane nun einmal in der Regel besser in Ruhe schreibt und nicht mit quengelnden Kindern um sich herum, die jetzt aber sofort und auf der Stelle ein Nutellabrot wollen, Hausaufgabenbetreuung brauchen oder dringend mal wieder an die frische Luft gehören. Das rechte Maß an Rückzug im Ausgleich zu sozialem Umgang zu finden ist allerdings eine komplizierte Sache und gelingt den Wenigsten dauerhaft gut. Deshalb wirken nicht wenige von ihnen unfreundlich, eigenbrötlerisch oder arrogant, so als hätten sie den Umgang mit anderen menschlichen Lebewesen verlernt, als könnten sie die anderen nicht mehr lesen. Das Gegenteil zu leben ist leider auch nicht hilfreich. Literatur braucht auch Ruhe im Entstehen und man tippt mit Nutella an den Fingern eher schlecht. (Dafür gibt das Kind jetzt endlich mal Ruhe.)

Wir können uns nur selbst verstehen lernen im Umgang mit anderen. Entsprechend können wir die anderen auch nur verstehen im Umgang mit uns selbst. Und ich kann als Autorin nur dann glaubhafte Dialoge schreiben, wenn ich hin und wieder auch mal mit Menschen rede. Es sei denn, ich brauche das alles nicht, schreibe bloß über Naturerscheinungen und blende dabei die Tatsache aus, dass es nicht nur einen Sonnenuntergang gibt, sondern so viele, wie Betrachter auf der weiten Welt existieren. Denn dann wird es ja auch erst interessant: Mein Sonnenuntergang ist sicher ein anderer als dein Sonnenuntergang und Literatur entsteht aus der Begegnung – mit uns selbst sowie mit anderen. Man muss Menschen schon mögen, um glaubhaft über sie schreiben zu können. Deshalb ist die Vorstellung vom weltentrückten Genie auch vollkommen falsch – ein Genie, also ein überaus kluger Mensch, würde sich nie dauerhaft von der Welt abwenden, weil er sie eben braucht. Und weil er sie liebt. Trotz allem.

Bei Verwendung des Textes bitte Quelle angeben bzw. verlinken.

My Books! Humanitarian and Misanthrope. Column by Susanne Falk

They are often very peculiar figures. They frequently seek solitude. Yet the best among them still love and need people, simply because there is no alternative. Literature without love for humanity is like a boat without water: pointless.

One cannot be a good author without carrying a bit of love for people within. After all, very few of us write our texts for squirrels in the park. (For the rest of the day, I’ll probably spend time googling authors who have written texts explicitly for squirrels. Do you know of anything in that regard? Any novel with a title like „In Search of the Lost Nut“ by Marcel Écureuil?) Those who love literature also love people. It’s a widespread misconception that bookworms or, what we call “reading rats” in German, have nothing left for people. Although, that’s already a bit too many animal comparisons for a single column…

Nevertheless, not a few authors behave more than just a bit strangely in their interactions with fellow humans. Let’s not think about lunatics like Michel Houellebecq or mystical beings like Thomas Pynchon and Elena Ferrante. (The latter might actually be quite nice, but no one knows for sure; the former definitely falls into the misanthrope category.) Authors withdraw from humanity for very understandable reasons while they work because novels are usually written better in peace, not with whining children around demanding Nutella sandwiches immediately, needing help with homework, or urgently needing fresh air. Finding the right balance between isolation and social interaction is a complicated matter, and only a few manage it consistently well. Consequently, many of them appear unfriendly, reclusive, or arrogant, as if they’ve forgotten how to interact with other human beings, as if they can no longer “read” others. Living the opposite is not helpful either. Literature also requires tranquility during its creation, and typing with Nutella on your fingers isn’t very productive. (At least the child is finally quiet now.)

We can only learn to understand ourselves in our interactions with others. Accordingly, we can only understand others through our interactions with ourselves. As an author, I can only write believable dialogues when I occasionally talk to people. Unless I don’t need any of that, and I write only about natural phenomena, ignoring the fact that there’s not just one sunset but as many as there are observers in the wide world. Because that’s when it gets interesting: My sunset is surely different from your sunset, and literature emerges from encounters – with ourselves as well as with others. You have to like people to be able to write credibly about them. Hence, the notion of a reclusive genius is completely wrong – a genius, an exceedingly clever person, would never permanently turn away from the world because they need it and love it. Despite everything.

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