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Kulturschätze Usbekistans, Teil 1: Taschkent

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birgit in usbekistanUsbekistan ist ein Land, das die Bewahrung seines Kulturerbes als Aufgabe für das friedliche Zusammenleben der Völker sieht. Ein Reisebericht in drei Teilen von Birgit Koß.

Mehr als 350 Historiker, Archäologen, Orientalisten, Islamwissenschaftler und Museumsfachleute aus über 40 Ländern waren im September zu einer einwöchigen Kongress-Reise nach Taschkent, Khiva und Nukus in Usbekistan geladen. Der Veranstalter war “The World Society for the Study, Preservation and Popularization of the Cultural Legacy of Uzbekistan”. Mit der Unterstützung der usbekische Regierung und der UNESCO wurde dieses Treffen bereits zum fünften Mal ausgerichtet.

 

Usbekistan – Ein junger Staat mit langer Geschichte

Der zentralasiatische Staat Usbekistan mit seiner Hauptstadt Taschkent feiert in diesem Jahr seinen dreißigsten Geburtstag. In seiner heutigen Form ist er in den 20er Jahren als Sowjetrepublik entstanden. Doch Archäologen haben hier bereits Steinwerkzeuge und Knochen entdeckt, die auf die  Zeit von 30 000 bis 40 000 vor Christus datiert wurden. Alexander der Große zog durch das Gebiet des heutigen Usbekistans, Münzen aus seiner Zeit sind in der Nationalen Galerie in Taschkent zu besichtigen. Die Seidenstraße verlief ebenso durch diese Region und mit den muslimischen Dynastien kamen unter anderem Buchara und Samarkand zur Blüte. Bis heute sind unzählige Kulturschätze erhalten geblieben und der usbekische Staat hat es sich zum Ziel gesetzt, für die Erhaltung zu sorgen. Die Eröffnungsrede des Präsidenten Shavkat Mirziyoyev, in der er ganz deutlich jedwede Form der Intoleranz, des Totalitarismus und des religiösen Terrorismus verdammte und darauf hinwies, dass die Erhaltung des kulturellen Erbes ein wesentlicher Beitrag zu Frieden und Völkerverständigung sei, bewegte die Kongressteilnehmer sichtlich – besonders unter der Berücksichtigung der aktuellen  Entwicklung im Nachbarland Afghanistan.

Münzen aus der Zeit von Alexander dem Großen / Foto: Birgit Koß

Meisterwerke der islamischen Buchkunst in Taschkent

Auf diesem fünften Kongress zur Bewahrung des materiellen und immateriellen Kulturerbes Usbekistans wurden in Taschkent 50 Neuveröffentlichungen in Buchform präsentiert. Alte Handschriften und wertvolle Miniaturen, sonst zur Erhaltung unter Verschluss in Museen und Bibliotheken weltweit, wurden neu aufgelegt, um sie dem usbekischen Volk in Galerien und Schulen, aber auch der Weltöffentlichkeit zugänglich zu machen.

Der älteste deutsche Verlag für Faksimile-Editionen, Müller und Schindler, stellte zwei neue Editionen vor. Als Auftragsarbeit für den usbekischen Staat und die „World Society“ wollte die Verlegerin Charlotte Kramer etwa 100 Meisterwerke der islamischen Buchkunst in Form von Einzelseiten als prachtvolle islamische Handschriften herausbringen. Doch schnell musste sie feststellen, dass die Zahl viel zu gering angesetzt war. Inzwischen birgt die Schmuckkassette aus feinem blauem Leder mit glänzender Goldprägung etwa 300 Teile. Auch wenn es nicht immer als Faksimile möglich ist, so wird doch jedes Blatt dem Original entsprechend reproduziert und insbesondere die Farbgebung sowie das Gold – wo vorhanden- bis ins kleinste Detail nachgebildet. Der usbekische Staat wird diese Sammlungen in Bibliotheken, aber auch Schulen und Universitäten kostenlos zugänglich machen, um insbesondere der usbekischen Jugend zu zeigen, auf welches kulturelle Erbe sie sich berufen kann. Etwa 40 % der Usbeken sind unter 16 Jahre alt. Aber auch interessierte Institutionen und Museen außerhalb des Landes sollen Exemplare dieser Sammlung erhalten.

Die Astronomie des Prinzen –
Ulugh Begs Buch der Fixsterne von Al-Sufi

Das zweite Werk, das der Verlag  Müller und Schindler vorstellte ist eine Handschrift aus dem 15. Jahrhundert aus Samarkand. Der timuridische Herrscher Sultan Ulugh Beg (1394 – 1449) war vor allem Wissenschaftler. Bereits mit 15 Jahren wurde er als Stadthalter in Samarkand eingesetzt und machte die Stadt zum Zentrum der islamischen Kultur. Auf ihn geht der Bau der Ulugh Beg Madressa zurück und ab 1424 ließ er ein Observatorium errichten, denn sein besonderes Interesse galt der Sternenkunde. Bis heute ist es beeindruckend, wie exakt die Beobachtungen hier waren. Ulugh Beg konnte das Sternenjahr auf 58 Sekunden genau berechnen. Dazu nutze er seine eigenen empirischen Beobachtungen und antike Texte. Der Almagest des Ptolemäus aus dem 2. Jahrhundert in Alexandria war jahrhundertelang maßgebend in der Astronomie. Zahlreiche Handschriften legen davon Zeugnis ab.

Bild: Müller und Schindler

Der persische Gelehrte Al Sufi korrigierte und ergänzte im 10. Jahrhundert Ptolemäus Darlegungen für sein „Buch der Fixsterne“. (Paris, Bibliothèque nationale, MS Arabe 5036) Dies wiederum ließ Ulugh Beg um 1430 für seine Bibliothek als Prachthandschrift kalligraphieren. In feinster Tuschmalerei sind dort die verschiedenen Sternzeichen aus feinen Linien zwischen den goldenen Sternen zu sehen. 74 Sternbildminiaturen und zahlreiche goldene Überschriften illustrieren den grundlegenden Text von Al Sufi auf 247 Seiten. Ein wissenschaftlicher Begleitband erläutert die Miniaturen und Sternenbilder und beleuchtet die wesentlichen Aspekte der Handschrift und ihres kulturellen Umfeldes. Die Auflage ist auf 600 nummerierte Exemplare limitiert.

„Die Religionen zerstreuen sich wie Nebel, die Zarenreiche zerstören sich von selbst,
aber die Arbeiten des Gelehrten bleiben für alle Zeiten. Das Streben nach Wissen ist die Pflicht
eines jeden Muslims, Mann und Frau.“ 
Ulugh Beg

Ali Sufi
Die Astronomie des Prinzen – Ulugh Begs Buch der Fixsterne
Müller +Schindler, Simbach am Inn, 2021
Limitierte Auflage

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