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Zum 70. Geburtstag des Pianisten Boris Bloch

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Feuilletonscout Das Kulturmagazin für Entdecker MusikVon Ingobert Waltenberger.

„Diese Edition dokumentiert nicht mehr und nicht minder das ewige und nie erreichbare Ziel, nach den Sternen zu greifen. Jeder Kunst liegt der Wunsch zugrunde, die Grenzen des menschlichen Lebens zu sprengen, um zu höheren Erkenntnissen zu gelangen.“ Boris Bloch

Er lebt zwar in Düsseldorf, weil er seit 1985 eine Professur an die Folkwang Hochschule innehat. Musikalisch und von der künstlerischen Seele her ist Boris Bloch ein waschechter Russe. Das verbindet ihn mit Rachmaninow, dessen Liebe zu Moskau stets eine stabile Konstante in dessen Leben blieb. Der in Odessa gebürtige Pianist Bloch studierte am Tschaikowsky – Konservatorium in Moskau bei den legendären Pädagogen Tatjana Nikolaeva und Dimitri Bashkirov. Wie seine Tochter und Schülerin Jelena Dimitrieva Bashkirova, Ehefrau Daniel Barenboims, in einem Interview als Quintessenz des Unterrichts ihres Vaters so schön sagte: „Die Musik verträgt keine Mittelmäßigkeit, kein ,nur ein bisschen‘. Man muss sich richtig investieren. Man muss, auch emotional, bis zum Ende gehen.“ Und genau dieses leidenschaftliche Brennen für sein Tun, diese absolute Hingabe spürt der Zuhörer im Kern aller zehn monographischen Ausgaben der Edition „Piano Works“ des Boris Bloch.

Boris Bloch stellt in der Edition ausgewählte Werke folgender neun Komponisten vor: Bach, Beethoven, Chopin, Liszt, Mozart, Schubert, Rachmaninow, Scarlatti und Tschaikowsky. Auf dem zehnten Album „Aveu Passionné“ formuliert Bloch ein leidenschaftliches Bekenntnis zur russischen Musik, insbesondere zur russischen Oper, und nicht zuletzt als Ausdruck der großen Begeisterung für die Sängerin Galina Vishnevskaja. Es handelt sich um kürzere Stücke von Glinka, Balakirev, Lydov, Borodin, Rimsky-Korsakov, Mussorgsky, Scriabin, Rachmaninow, Tschaikowsky und Paul Pabst. Aus Opern, von denen Boris Bloch viele auch selbst dirigierte, sind der Hopak aus „Der Jahrmarkt von Sorotchinzky“ und eine Konzertparaphrase über Tchaikovskys „Eugen Onegin“ zu hören.

Boris Bloch   / Foto Alexander Basta
Boris Bloch / Foto: Alexander Basta

Boris Blochs Bach-Interpretationen habe ich schon ausführlich besprochen. Besonders am Herzen liegen mir Blochs maßstabsetzende Einspielungen von Scarlatti, Rachmaninow und Tschaikowsky. Die Doppel-CD von Rachmaninow beginnt mit den „Dix Préludes“ Op. 23, einem Live-Mitschnitt aus dem Jahr 2005 aus dem Wilhelm-Lehmbruck Museum in Duisburg. Boris Bloch lässt hier sowie auch in der hinreißend temperamentvollen Wiedergabe des dritten Klavierkonzerts Op. 30 (live vom 31.1.2001) das ganze unendliche Russland vor sich in einem großartigen Panorama erstehen. Charakteristisch in Blochs Spiel sind der zupackende männliche Anschlag, die strenge Beachtung von Form und Architektur. Aber innerhalb dieses Rahmens eröffnen sich Wunderwiesen an musikalischen Blüten. Sie erzählen von den Menschen, die in Natur und Städten wandeln, ihren Gefühlen und Träumen.

Wie sein Vorbild Horowitz („Klavierspiel besteht aus Vernunft, Herz und technischen Mitteln. Alles sollte gleichermaßen entwickelt sein.“) weiß Bloch aufbauend auf einer exquisiten Technik in Gefilde großer Freiheit vorzudringen. Blochs Spiel scheut dabei auch vor dem ganz großen Ton, dem mächtigen Überschwang, ja der erhabenen pathetischen Geste nicht zurück. Insofern ist er wunderbar altmodisch. Er schert sich nicht um zeitgeistige Moden, so wie sich die auch Musik des 18. und 19. Jahrhunderts keinen Deut um egozentrierte Befindlichkeiten und digitale Lebens-Diätpläne der Jetztzeit schert.

Das Tschaikowsky Album enthält den Zyklus „Die Jahreszeiten“ Op. 37, aber auch die Romanze in f-Moll, die Dumka Op. 59, die Valse sentimentale Op. 51, Nr. 6 oder das Wiegenlied Op. 16, Nr. 1. Hier lernen wie einen anderen Boris Bloch kennen. Den feinen Poeten, der auf Tasten Gedichte zu rezitieren scheint, der die ganze Schönheit lyrischer Mittel in behutsam modellierten Details ausschöpft. In ihrer zerbrechlichen Flüchtigkeit ist vieles an dieser Musik eine gar nicht so heimliche Aufforderung, das Heute, den unwiederbringlichen Augenblick mit Hingabe zu feiern.

Als drittes Album hat mich die Domenico Scarlatti CD besonders begeistert. 17 Klaviersonaten hat Boris Bloch ausgewählt und 2010 im Konzertsaal des Orchester Zentrums NRW in Dortmund auf genau dem Steinway-Flügel aufgenommen, den Horowitz für seine letzten Konzerte in Moskau und Leningrad gewählt hat. Neben Horowitz gab Maria Tipo ein stilistisches Vorbild in Sachen Scarlatti ab. Boris Bloch wiederum ist dabei in anderen Facetten seiner künstlerischen Vielfalt zu bewundern. Bei Scarlatti sind das der klar abgezirkelte Ton, die perlenden Tongirlanden, die atemberaubende Virtuosität, der Spielwitz, die ungeheuren federleicht absolvierten Sprünge und das rasante Tempo. Bei alldem lässt Bloch aber auch die feine Musikalität schweifen, setzt auf wohldosierte Rubati, und lässt die subkutan schwelende Leidenschaft in straffen Spannungsbögen durchblitzen.

Boris Bloch ist ein grandioser Pianist abseits von Glamour und abhold jeden oberflächlichen Startums. Für entscheidende Komponisten seines Lebens hat er mit dieser Edition passgenaue und – wie sich das gehört –  überlebensgroße Denkmäler auf Tonträgern gesetzt. Nicht das Streben nach kalter Perfektion oder konstruierter Effekthascherei treiben ihn an, sondern ein inneres Müssen, eine Unbedingtheit im Tun und eine Hingabe ohne Wenn und Aber, von der wir alle lernen können.

Alles Gute zum Geburtstag, lieber Boris Bloch! Seien Sie uns weiterhin ein ihren Prinzipien treuer Künstler, dem es um die Liebe zur Sache und sonst nichts geht. Danke auch für den Seelentrost und das Öffnen musikalischer Märchenwelten in schweren Zeiten, die von allen Aufnahme in ihrer unnachahmlich persönlichen Handschrift ausgehen.

(Die Gesamtedition ist im Handel nicht erhältlich, wohl aber die einzelnen CDs.)

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