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Von wegen Provinz! Die Brandenburgischen Sommerkonzerte sind viele Reisen wert

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Seit 30 Jahren begeistert das Land Brandenburg mit musikalisch hochkarätigen Landpartien, die auch zu landschaftlichen Neuentdeckungen einladen. Barbara Hoppe sprach mit Wolfram Korr, Geschäftsführer der Brandenburgischen Sommerkonzerte, über das besondere Flair der Veranstaltungen und warum das Festival immer erfolgreicher wird.

Feuilletonscout: Die Brandenburgischen Sommerkonzerte gibt es seit 1991. Wie entstand die Idee?
Wolfram Korr: Die Idee entstand aus dem Wunsch, nach der Wiedervereinigung das große Kulturland Brandenburg wiederzuentdecken und beim Wiederaufbau (die Brandenburgischen Sommerkonzerte waren immer stark in der Denkmalpflege engagiert) der Kulturstätten, Schlösser, Kirchen, Parks zu helfen. Wichtig ist, dass Werner Martin die BSK von Anfang an als Begegnungsort zwischen Stadt und Region aufgebaut hat. So waren von Anfang an das Miteinander mit den Gemeinden und Menschen vor Ort durch die Kaffeetafel und die Beiprogramme genauso wichtiger Bestandteil wie die Spitzenkultur der Konzerte. Das Motto war schon damals „gemeinsam mit Menschen Kultur erleben“.

Feuilletonscout: Wie hat sich die Konzertreihe entwickelt und verändert?
Wolfram Korr: Von anfangs zehn bis fünfzehn „Klassikern auf Landpartie“ hat sich das Festival groß entwickelt zu nun 40 Landpartien im Jahr. Ansonsten muss man sagen, dass das Grundkonzept, nämlich die „Bürgerbewegung“, wie es Werner Martin pointiert ausdrückte, mitsamt der tollen Orte, dem besonderen Service des Bustransfers, der Kaffeetafel (neudeutsch Catering), den Beiprogrammen und dem frühen Konzerttermin 17 Uhr so gelungen ist, dass wir dieses Konzept nur graduell und natürlich in die Zeit übertragen (modernere Kommunikationsmittel, Digitalisierung, etc.) haben.

Feuilletonscout: War es anfangs schwierig, Orchester und Solisten für die Sommerkonzerte zu gewinnen? Wie ist das heute, 30 Jahre später?
Wolfram Korr: Dank der exzellenten Verbindungen des damaligen Künstlerischen Leiters, Joachim Pliquett, in die Künstlerszene – er ist ja bis heute Solotrompeter des Deutschen Symphonie Orchesters Berlin – war es nie ein Problem, Spitzenensemble für die BSK zu gewinnen. Im Gegenteil, Joachim Pliquett hatte einen unglaublichen „Riecher“, viele spätere Weltstars schon ziemlich früh in ihrer Karriere für die BSK zu entdecken – so haben über die 30 Jahre sehr viele großen Stars der Klassik irgendwann einmal bei den BSK gespielt.
Heute sind wir durch das dichte Netzwerkgeflecht so viel mit Agenturen, Künstlern und Ensembles verbunden, dass sich viele hochklassige Engagements aus den Gesprächen untereinander ergeben – das ist sozusagen das normale „Business“ innerhalb der Festivals in Deutschland. Hinzu kommen alle Partner in Brandenburg – die Kulturinstitutionen, die Festivals, die Ensemble, mit denen wir im steten Austausch sind.

Feuilletonscout: Wie kam es zur Idee, Partnerländer einzuladen? Ist dies ein fester Bestandteil der Sommerkonzerte geworden?
Wolfram Korr: Die Idee, Partnerländer einzuladen, ist recht jung und wurde im Jahre 2017 erstmalig mit großem Erfolg etabliert. Für 2022 und die folgenden Jahre wollen wir uns auf Partnerregionen konzentrieren, das wird dauerhaft unser Nachbar, die Republik Polen sein, und mittelfristig dazu die Partnerregion Brandenburgs in Frankreich, die Île de France.

Feuilletonscout: Es heißt, die Brandenburgischen Sommerkonzerte wollten „den Dreiklang von Kultur, Natur und Begegnung bewahren“. Wie darf man sich das vorstellen?
Wolfram Korr: Die Brandenburgischen Sommerkonzerte entstanden nicht als Konzert, sondern als Begegnungsort. Es ging von Anfang an darum, gemeinsam mit Menschen in der Natur Kultur zu erleben, von Anfang an darum, mehr als nur Konzerte auf höchstem Niveau anzubieten. Dieser Ansatz macht das Festival seit über 30 Jahren so erfolgreich und einzigartig. Zu Anfang in den 90er-Jahren spielte die Denkmalpflege eine große Rolle – es ging darum, das kulturelle Erbe zu erhalten und wieder aufzubauen. Heute spielt der Erhalt der filigranen und gefährdeten Natur um uns herum eine immer größere Rolle. Das Kulturland Brandenburg ist ähnlich fein, sensibel und komplex wie die Musik, die wir mit den Landpartien dorthin bringen. So möchten die Brandenburgischen Sommerkonzerte einen Beitrag leisten, dass Menschen gemeinsam in der Natur Kultur erleben und sich dabei um beides – Natur und Kultur – kümmern, beziehungsweise beides wertschätzen.

Feuilletonscout: Sie sagen, Sie wollten die Brandenburgischen Sommerkonzerte „fit für die Zukunft machen“. Was meinen Sie damit genau? Wie soll „fit für die Zukunft“ aussehen?
Wolfram Korr: Wir wollen unsere Gäste und Stammgäste auch immer eine zeitgemäße Kommunikation und Service bieten. Die Handy-App und die neue Webseite, aber auch die stärkeren Social-Media-Auftritte sind solche Elemente. Aber „fit für die Zukunft“ heißt auch, das Festival nachhaltig aufzustellen, und die Beziehungen zu den Künstlern und Konzertorten zu intensivieren.

Feuilletonscout: Was macht das Besondere der Brandenburgischen Sommerkonzerte aus?
Wolfram Korr: Das Besondere ist, dass der Konzertort und die Begegnung mit Menschen dort eine so große Rolle spielen. Ein Brandenburgisches Sommerkonzert ist nicht nur ein Konzert in der Region, sondern es ist mit der kulinarischen Versorgung durch die Gemeinden vor Ort, mit den Beiprogrammen und mit dem ganzen Ablauf eben mehr als nur ein Spitzenkonzert.

Feuilletonscout: Sind es nur Konzerte? Sind es nur klassische Konzerte? Oder auch andere kulturelle Veranstaltungen?
Wolfram Korr: Bei den „Klassikern auf Landpartie“ treten auch Künstler anderer Genres auf. Deswegen sprechen wir von den BSK als „Künstlerfestival“, nicht mehr „Klassikfestival“, und auch „Spitzenkultur“ statt „Hochkultur“. Es gibt Jazz, Swing, Pop, Folk – alles war toll klingt und Menschen begeistert. Daneben spielen Literatur-Lesungen immer auch eine große Rolle, sei es als Beiprogramm oder als Programmteil wie beim „Stadtkirchenkarussell“ oder den Kooperationen mit „Nachbarn bei Nachbarn – Lesungen in brandenburgischen Dorfkirchen“.

Feuilletonscout: Wie würden Sie die Stimmung während der Konzerte bzw. der Veranstaltungen beschreiben?
Wolfram Korr: Die Stimmung ist familiär, gemütlich und kommunikativ, wir haben viele Stammgäste, die uns seit Jahren treu besuchen, und die den persönlichen Service der Sommerkonzerte schätzen.

Feuilletonscout: Was mögen Sie persönlich ganz besonders an den Brandenburgischen Sommerkonzerten?
Wolfram Korr: Ich liebe die Verbindung zwischen Ort, Menschen und Musik. Eine gute Landpartie hat eine gute „Story“, das heißt, der Ort passt zu den Künstlern und den Werken.

Feuilletonscout: Wer kommt? Menschen aus der Region oder ziehen Sie auch überregionales bzw. internationales Publikum an?
Wolfram Korr: Es kommen die Menschen aus der Region und die Berliner. Es ist die Besonderheit des Festivals, dass wir durch die Mischung auch kleine Konzerte weit „ab vom Schuss“ vor vollem Haus spielen. Überregional kommen Fans bei einzelnen Konzerten, international wollen wir zukünftig attraktiver werden, zum Beispiel mit dem geplanten Internationalen Kammermusikfestival „Fliessen“ in Luckau ab nächstem Jahr!

Feuilletonscout: Wie viele Orte werden bespielt?
Wolfram Korr: Zwischen 35 und 40 Orte!

Feuilletonscout: Welche künstlerischen Highlights dürfen die Zuschauer erwarten?
Wolfram Korr: Von der Spitzenklassik her sicherlich die Aufritte des Juilliard String Quartets New York oder des Siemens-Musikpreisträgers Pierre-Laurent Aimard. Ein Höhepunkt ist sicherlich auch der Aufritt von Musical-Ikone Anna Maria Kaufmann in Doberlug. Aber wir haben auch in weiteren Genres Spitzenkünstler: zum Beispiel Soulstar Max Mutzke, der in einem besonders feinen Arrangement mit Jazz-Trio aufritt, oder die Echo-Preisträger Klazz Brothers und Cuba Percussion.

Feuilletonscout: Gibt es Geheimtipps – musikalisch oder auch von den Örtlichkeiten?
Wolfram Korr: Zwei Geheimtipps von meiner Seite aus: die beiden Wandelkonzerte zum 200. Geburtstag von E.T.A. Hoffmann in Branitz und Nennhausen bieten tolle Musik und darüber hinaus auch Einblicke in Schlösser, die man sonst nicht bekommt. Künstlerisch sicherlich auch das „Scheunenkonzert“ in Bornsdorf eines der besten Klaviertrios Deutschlands mit Antje Weithaas, Marie Elisabeth Hecker und Martin Helmchen. Hier entsteht nächstes Jahr ein internationales Kammermusikfestival mitten auf dem Land, welches wir schon einmal vorstellen wollen!

Feuilletonscout: In diesem Jahr zeichnen Sie „Brandenburgs talentiertesten Singer-Songwriter“ aus. Was hat es damit auf sich?
Wolfram Korr: Am Anfang stand die Idee, für das große Netzwerk Kulturland Brandenburg an deren Eröffnungswochenende eine „Landpartie“ zu veranstalten, um gemeinsam zu feiern. Daraus ist die Idee geworden, gemeinsam das Eröffnungskonzert zu gestalten. Ich hatte früher schon die unnachahmliche Atmosphäre von guten Konzerten mit mehreren Singer-Songwritern erlebt, und so entstand die Ausschreibung, für das Eröffnungskonzert „Brandenburgs talentierteste Singer-Songwriter“ zu suchen. Wir haben über 70 Einsendungen bekommen, und eine hochrangige Fachjury hat inzwischen 25 Sänger und Sängerinnen für die zweite Runde, ein öffentliches Publikums-Voting am 7. Mai, ausgewählt. Die besten aus dieser Runde treten am 20. Mai auf der großen Bühne der Landesgartenschau in Beelitz auf – eine echte „Graswurzel“-Bewegung, denn es haben sich wirklich junge, alte, unerfahrene und etablierte Künstler und Künstlerinnen aus dem ganzen Land beworben!

Feuilletonscout: Gibt es Neuerungen?
Wolfram Korr: Viele kleine und manche relevante. Wichtig für die Gäste: die Preisstruktur wurde angepasst, wir sind insgesamt günstiger geworden, und wir haben dafür jetzt auf allen Verkaufskanälen gleiche Preise – nicht mehr hier mit Vorverkaufsgebühr extra, dort nicht.

Feuilletonscout: Die Spielzeit wurde verlängert. Was war der Grund für diese Entscheidung?
Wolfram Korr: Für die Verlängerung der Spielzeit gibt es zwei Gründe: zum einen gibt es sehr viele Gemeinden, Partner, Kirchen, Freunde, die uns Konzertorte und Ensemble vorschlagen. Zum anderen merken wir, dass für attraktive Konzerttermine wie die Weihnachtszeit in Brandenburg auch gerade in der Region noch Bedarf besteht, den wollen wir decken.

Feuilletonscout: Wie viele Zuschauer erwarten Sie?
Wolfram Korr: Wir würden uns freuen, wenn wir diese Saison über 20.000 Besucher begrüßen dürfen.

Feuilletonscout: Welches Feedback vom Publikum freut sie am meisten?
Wolfram Korr: Wenn die Gäste nach dem Schlussakkord aufspringen, jubeln und den Künstlern Standing Ovation geben. Und wenn sie uns nachher sagen: „Ich habe gar nicht geglaubt, dass diese Gegend hier so schön ist und die Menschen so nett!“ Von den Konzertorten: „Also wir würden uns sehr freuen, wenn die Brandenburgischen Sommerkonzerte nächstes Jahr wieder zu uns kommen“ Und von den Künstlern: „Die Landpartien sind die schönsten Konzerte, weil die Stimmung an einem lauen Sommerabend im Park so unvergleichlich ist!“

Vielen Dank, Wolfram Korr, für das Gespräch!

Brandenburgische Sommerkonzerte vom 28. Mai bis 17. September 2022
Konzerttickets und weitere Informationen: hier

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