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Todesmelodie in Glaubenthal: „Helga räumt auf“ von Thomas Raab

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LiteraturRezension von Barbara Hoppe.

Willkommen zurück in Glaubenthal. Die kleine Streusiedlung mitten im österreichischen Nirgendwo ächzt unter einer Hitzewelle. Aber Hannelore Huber geht es gut. Ihr Walther ist endlich und wahrhaftig weg. Nach 53 Ehejahren und einigen Verwicklungen bezüglich seines Todes genießt Hannelore, genannt Hanni, endlich ihr Witwendasein. Etwas oberhalb des Dorfes gelegen, könnte sie von ihrem Haus wunderbar über das Tal schauen. Wenn, ja wenn da nicht der alte Grubmüller bösartigerweise ein Maisfeld just vor ihrer Haustür angelegt hätte. Und Schluss ist’s mit der schönen Aussicht.

Bereits mit „Walter muss weg“ hat Thomas Raab einen der schrulligsten Österreichromane der letzten zwei Jahre vorgelegt. Schon damals fragte man sich, wie es in dem kleinen Ort eigentlich weitergehen soll. Wenn es noch mehr Tote gibt, bleibt bald nur noch die Hannelore auf ihrem Hügel übrig.

Es gibt noch mehr Tote. Und wenn man es schon bei „Walter muss weg“ schräg mögen musste, so korrigiert Thomas Raab die Obergrenze für „schräg“ in „Helga muss weg“ noch einmal deutlich nach oben. Spielt es da noch eine Rolle, warum die Praxmosers und Grubmüllers sich so verabscheuen, trotzdem miteinander verwandt und verschwägert sind (mal mehr, mal weniger legitim), die Frauen entweder hoffnungslos burschikos, großherzig, einäugig oder verschwunden im Kloster sind? Die Männer hingegen Schreihälse und grobschlächtig oder stolze Steuermänner des Traktors, des Schulbusses und der Libido? Dass die Gemengelage bald so verwickelt ist, dass nicht nur die Hannelore einen Stammbaum aufzeichnet, um die Verwandtschaftsverhältnisse inklusive Massensterben der Praxhubers und Grubmüllers zu überblicken?

Cover: Kiepenheuer & Witsch Verlag

Geschenkt. „Helga räumt auf“ ist ein Riesengaudi für alle, denen es nicht absurd genug sein kann. Hier schreibt einer, dem die Kuriositäten scheinbar grenzenlos aus dem Hirn aufs Papier purzeln. Und der die Gabe hat, dies auch noch höchst schwarzhumorig und bitterböse in Worte zu fassen. Wer hat hier mehr Spaß? Der Autor oder der Leser? Frau Huber ermittelt, weil Thomas Raab dringend ein Ventil für seine überbordende Fabulierkunst braucht. Gottlob. Denn Frau Huber scheint sich in der Rolle der kauzigen, unerschrockenen Witwe im lila Kittelkleid mit grün-roten Rosen so richtig wohl zu fühlen. Und wir auch. Wenn auch nicht im Kittelkleid.

Thomas Raab
Helga räumt auf. Der zweite Fall.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2020
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