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!Tipp: Fast nirgendwo gibt es mehr normale Polizisten. Doch! In Katrine Engbergs „Krokodilwächter“

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Rezension von Barbara Hoppe

Warum musste die junge Julie sterben? Gerade erst war sie nach Kopenhagen gezogen, um hier Literatur zu studieren. Jetzt liegt sie erstochen und mit merkwürdigen Schnittwunden im Gesicht tot in ihrer Wohnung. Der alte Gregers fällt buchstäblich über sie, als er den Müll runterbringen will. Für die Kriminalassistenten Jeppe Kørner und Anette Werner ist es ein schwieriger Fall, stecken doch zu viele Rätsel in diesem mysteriösen Tod: Julie war allein in der Wohnung gewesen, als sie ihren Mörder hineinließ. Die Mitbewohnerin war verreist. Die anderen Hausbewohner haben nichts mitbekommen, der alte Gregers nicht, aber auch Esther de Laurenti, Hausbesitzerin, pensionierte Literaturwissenschaftlerin und Romanautorin, die sich gerade an einem Kriminalroman versucht, hat nichts gehört oder gesehen. Und warum benimmt sich ihr junger Gesangslehrer Kristoffer so merkwürdig? Wer war der geheimnisvolle Mann, von dem Julie nichts erzählen wollte? Und was verbirgt Julies Vater?

Katrine Engbergs Krimi-Debüt besticht vor allem durch eine gewisse Nüchternheit, ohne einen Deut an Spannung einzubüßen. „Normal“ wäre das falsche Wort, wenn man den grausig-inszenierten Mord berücksichtigt, aber genau das ist „Krokodilwächter“: Erfrischend normal. Mit Jeppe Kørner und Anette Werner schuf Katrine Engberg zwei Protagonisten, die menschlich sind: Sie arbeiten viel und verbissen an ihren Fällen, können sich an sich gut leiden, aber manchmal eben auch nicht, beide haben ein Privatleben, das bei der Frau gut läuft, bei ihm allerdings gerade den Bach runtergeht. Jeppes Frau hat ihn verlassen, und seitdem ist der Polizist nicht mehr er selbst. Ein bisschen verwahrlost, einsam in dem ehemals gemeinsam bewohnten Haus und mit Potenzstörungen. All das läuft mit bei diesem Fall, in dem es nicht bei einer Leiche bleiben soll. Und doch ist dieses Persönliche nur ein Hintergrundrauschen, das den Fortgang der spannenden Geschichte in keinster Weise behindert. Es bereichert die Handlung, ohne sie zu kapern und macht sie angenehm – normal.

Als Esther de Laurenti erzählt, dass der Mord dem in ihrem Manuskript gleicht, scheint das Team von der Aufklärung des Falls nicht weit entfernt. Doch der Täter denkt nicht daran, sich an die Spielregeln eines bei Google Docs hochgeladenen Romans zu halten und rückt den Menschen um Julie unaufhaltsam näher. Selbst als man schon längst weiß, wer der Mörder ist, bleibt es spannend. Denn jetzt beginnt die Jagd auf Leben und Tod.

Katrine Engbergs Auftakt zur Reihe lässt auf weitere Kopenhagen-Krimis hoffen, die sich wie gute Bekannte neben einen auf die Couch setzen und fesselnd erzählen. Nicht zu düster, nicht zu hell, bewegen sich ihre Menschen durch den warmen Kopenhagener Sommer. Dabei nimmt die Autorin wie von selbst die Perspektive von Jeppe Kørner und seinem Urteil ein – über den Fall ebenso wie über seine Kollegen. Unaufgeregt die Sprache wie es sich für Polizeiarbeit gehört, und doch mit den kleinen Nuancen, die ihre Figuren zu Charakteren machen. Gelingt der Autorin auch in der Fortsetzung die Ausgewogenheit zwischen Spannung und Normalität zu halten, hat sie sich ihren festen Platz unter den skandinavischen Krimis gesichert. Man sollte also diese Premiere nicht verpassen.

Katrine Engberg
Krokodilwächter
Diogenes Verlag, Zürich 2017
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Rezension zum Nachhören als Podcast: hier

 

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3 Gedanken zu „!Tipp: Fast nirgendwo gibt es mehr normale Polizisten. Doch! In Katrine Engbergs „Krokodilwächter““

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