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Serienkiller in Meckpomm: „Die Toten von Marnow“

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LiteraturRezension von Barbara Hoppe.

Es ist der heiße Sommer 2003. Die Gluthitze hat auch Rostock fest im Griff. Kriminalhauptkommissar Frank Elling, im etwas spießigen Ringelrankenweg mit Eigenheim und Familie zu Hause, lässt gerade einen überdimensionierten Swimmingpool in seinen Garten pflanzen. Seine hübsche, aber unnahbare Kollegin Lona Mendt, die aus Hannover nach Rostock kam, steht mit ihrem Wohnmobil immer gerade dort, wo es ihr gefällt, als das Verbrechen unbarmherzig zuschlägt. Und so beginnen für die beiden Ermittler zwei noch heißere Wochen, an deren Ende nichts mehr so ist, wie es vorher war.

Denn in Rostock und Umgebung geht ein Serienkiller um. Äußerst brutal schneidet er seinen Opfern die Kehle durch. Opfer, die untereinander scheinbar keine Verbindung haben. Opfer, die alt und senil sind, Sozialhilfe empfangen oder ein auf den ersten Blick unauffälliges Leben führen. Doch je mehr Lona Mendt und Frank Elling graben, umso näher kommen sie Verbindungen, deren Stränge weit in die DDR-Vergangenheit reichen und ein dunkles Kapitel deutsch-deutscher Geschichte zutage fördern, in dem kaum einer der Beteiligten eine rühmliche Rolle gespielt hat. Als dann noch der Name eines westdeutsches Pharmakonzerns auftaucht, sehen so einige Gutsituierte ihre Felle davonschwimmen.

Cover: Kiepenheuer & Witsch

Beginnt es noch recht betulich als Polizeiroman, nimmt die Geschichte schon bald an Fahrt auf, bis wir uns in einem Formel Eins Finale wähnen. Der gemütliche Frank Elling rutscht unversehens in moralisch fragwürdige Situationen, denn sein Lebensstil übersteigt weit die Gehaltsklasse eines Kriminalhauptkommissars. Lona Mendt kämpft mit den Schatten ihrer Vergangenheit. Gemeinsam sind die beiden jedoch ein unschlagbares Gespann, bei dem die Chemie stimmt. Und irgendwann bleibt ihnen nichts anderes übrig, als sich gegenseitig blind zu vertrauen.

Zwischen Rostock und der Mecklenburgischen Seenplatte pendeln sie fortan hin und her, beschwören so manche Katstrophe herauf und bleiben doch immer tief im Inneren der treuredliche, Gesetzeshüter. Und das Herz des Lesers ist mit ihnen. Schwarz und Weiß, Gut und Böse, Recht und Unrecht verschwimmen in diesem vielschichtigen Kriminalroman, der auf wahren Begebenheiten beruht und deswegen noch verstörender ist. Holger Karsten Schmidt zeichnet seine Protagonisten zutiefst menschlich, zerbrechlich und dennoch rational mit einem Gerechtigkeitssinn, der an moralische Grenzen stößt. Denn so einfach liegen die Dinge nicht. Wieviel ist ein Menschenleben wert? Wie viel, wenn andere dadurch gerettet werden? Die Fragen sind altbekannt. Holger Karsten Schmidt findet jedoch einen neuen Weg, sie aufzuwerfen und eine eigenwillige Antwort, die an so manchen rabenschwarzen Krimi erinnert, in dem der Tod das eine oder andere Problem auch für die Guten löst.

„Die Toten von Marnow“ ist der erste Fall einer neuen Krimireihe. Der Auftakt lässt uns ungeduldig auf Band zwei warten. Wer will, kann sich zwischenzeitlich an der Miniserie erfreuen, die seit letztem Sommer von ARD/NDR produziert wird. Kein Wunder, denn Holger Karsten Schmidt gehört zu den erfolgreichsten Drehbuchautoren Deutschlands. Hoffen wir, dass die Serie die feinen Zwischentöne und Nuancen der Romanvorlage einfängt.

Holger Karsten Schmidt
Die Toten von Marnow
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2020
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