Zum Inhalt springen

SCHRUMPF! Oder warum es nicht immer Originallänge sein muss

Rating: 5.00/5. From 2 votes.
Please wait...

Kindern den Zugang zu Kunst so zu ermöglichen, dass Interesse und Freude geweckt werden, hat sich Daniella Strasfogel auf die Fahne geschrieben. Die Geigerin und Performerin entwickelt mitten im Corona-Jahr 2020 die Reihe SCHRUMPF! Was sich genau dahinter verbirgt, verrät sie im Interview mit Feuilletonscout. Von Barbara Hoppe.

Feuilletonscout: Wie kam es zu der Idee von SCHRUMPF! Und wann sind Sie gestartet?
Daniella Strasfogel: Nach vielen Jahren als Geigerin und Performerin im Bereich Neue Musik und Musiktheater, habe ich überlegt wie ich meine Arbeit Kindern erklären könnte. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es eigentlich möglich sein müsste, alles was Erwachsene an Kunst interessant finden auch für Kinder zugänglich und interessant zu machen. Im Januar 2020 habe ich damit dann konkret angefangen.

Feuilletonscout: Gibt es bereits Erfahrungen mit dieser Form des online/offline (Mitmach)-Formats? Wie lief es bisher ab?
Daniella Strasfogel: Jede Veranstaltung ist anders, da jedes Stück, das „geschrumpft“ wird, anders ist. Wir bringen das generationenübergreifende Publikum an die Orte, wo die Originalstücke gespielt werden, hinein in das Originalsetting – das heißt, Schrumpf! reist durch die Stadt und besucht die Künstler*innen dort, wo sie ihre Arbeit realisieren.
Ich habe nun auch schon in verschiedenen Konstellationen und an verschiedenen Orten ähnliche Formate gemacht, pandemiebedingt wurden für mehrere Veranstaltungen Alternativformate online entwickelt, als 2021 Live-Aufführungen nicht möglich waren.

Feuilletonscout: Wie funktioniert es 2022 für die Zuschauer? Welche Möglichkeiten haben sie, mitzumachen?
Daniella Strasfogel: Ich suche gemeinsam mit meinen künstlerischen Partner*innen nach Zugängen zu den Stücken, Ideen, Momente oder Konzepte, anhand derer ich die Kinder abholen kann. Etwas, was sie fasziniert, was sie lustig finden, was sie intellektuell, emotional oder körperlich verstehen. Das können bizarre Klänge vom Schlagwerk sein, eine Art gehende Meditation oder auch alte Fotos, die dem Stück z.B. zu Grunde liegen. Es kann eine Geste sein, eine Lichtstimmung oder eine musikalische oder tänzerische Phrase. Dann untersuchen wir diese Momente, probieren unsere eigene Versionen aus – es werden Bewegungen nachgemacht und weiterentwickelt, manchmal kommt das Publikum mit auf die Bühne und hilft mit, ein Stück zu spielen oder weiter zu improvisieren. Manchmal ist das Konzert an eine Aufgabe fürs Publikum geknüpft – bestimmte Töne oder Instrumente sollen ausfindig gemacht und „gesammelt“ werden. Meist gibt es viel Bewegung zwischen Zuschauerraum und Bühne und auch die Menschen hinter der Bühne kommen zu Wort.

Feuilletonscout: Welche Herausforderungen haben dabei die Mitwirkenden von SCHRUMPF! ?
Daniella Strasfogel: Wir müssen immer schauen, dass wir nicht zu viel wollen! Wir können nicht stundenlang über alles reden, alles zeigen, alle Werke ganz durchspielen oder uns das ganze Musiktheater mit dem jungen Publikum anschauen. Die Stücke werden gezielt gekürzt, um Zeit fürs Mitmachen und für die Interaktion zu lassen. Ich konzentriere mich deshalb immer lieber auf zwei bis drei Ideen und versuche, dafür genug Zeit zu lassen. Es kommen sowieso immer genug Impulse aus dem Publikum!

Feuilletonscout: Woher kommen Ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter?
Daniella Strasfogel: Die eingeladenen Gruppen und Künstler*innen sind fast alle Menschen, mit denen ich in den letzten 18 Jahren gemeinsam musiziert, performt und experimentiert habe. Es sind Künstler*innen, die ich selber interessant finde, zu denen ich eine gute Beziehung auf Vertrauensbasis aufgebaut habe. Das Interessante ist, dass wir uns bei Schrumpf! gegenseitig im neuen Licht sehen, die gemeinsame Begegnung mit einem (oft, zumindest für die Gruppen) völlig neuen Publikum vertieft unsere künstlerische Beziehung zueinander.

Feuilletonscout: Für SCHRUMPF! arbeiten Sie Uraufführungen, Berliner Premieren und Wiederaufnahmen Berliner Ensembles um, um sie auch Kindern zugänglich zu machen. Müssen diese Stücke bestimmte Kriterien erfüllen und wie arbeiten Sie diese um? Welche Schwerpunkte setzen Sie? Und wo finden sie die passenden Stücke?
Daniella Strasfogel: Ich bin grundsätzlich für alles offen! Mir ist es wichtig, dass die Musik im Kern der künstlerischen Arbeit steckt, denn Musik ist mein Gebiet – auch wenn ich mich professionell oft im Bereich des Musiktheaters oder der Performance befinde. Ich suche gemeinsam mit den Gruppen nach passenden Stücken. Oft haben sie selber Vorschläge! Und da die Gruppen der Freien Szene meist relativ kurzfristig arbeiten, muss ich auch flexible bleiben. Das Fördersystem funktioniert so, dass man oft höchstens ein Jahr im Voraus weiß, ob ein bestimmtes Stück gemacht werden kann, oft ist der Vorlauf kürzer.

Feuilletonscout: Welches Stück erwartet die Zuschauerinnen und Zuschauer dieses Mal?
Daniella Strasfogel:
Es werden insgesamt neun Werke von neun Gruppen und Künstler*innen über einen Zeitraum von zwei Jahren „geschrumpft“. Wir fangen mit drei Vorstellungen im radialsystem an: eine Radio-Oper; eine begehbare, meditative Tanz-Installation; und ein Stück über die Begegnung zwischen zwei Künstler*innen und wie sie zusammen etwas kreieren. Im Sommer folgt dann das improvisierende Splitter Orchester, mit ihren selbstgebastelten Instrumenten und ganz ohne Partitur oder Dirigent*in; dann ein Stück über Gamification in der Musik – laute Musikstücke, an dem das Publikum den Verlauf der Stücke mitentscheidet; ein Musiktheater über die menschliche Stimme in all ihrer Facetten; und es geht 2023 noch weiter!

Feuilletonscout: Was möchten Sie Ihren kleinen und großen Zuschauerinnen und Zuschauern mitgeben bzw. vermitteln?
Daniella Strasfogel: Ich möchte vermitteln, dass diese Kunst ihnen gehört. Dass sie selber an Aufführungen teilnehmen können, dass die Spielorte für sie da sind, dass diese Künstler*innen für sie kreieren. Ich möchte, dass die Erwachsenen sich über den vermittelten Zugang auch freuen und dann eventuell etwas sehen wollen, was sie vorher nicht in Betracht gezogen hätten.

Feuilletonscout: Welches Feedback ist für sie das schönste?
Daniella Strasfogel: Unsere Feedback-Postkarten sind immer sehr beliebt, da kommen oft ganz ehrliche Kommentare zurück – alles von „ich fand das toll weil es so laut war“ bis hin zu „ich fand das blöd“! Aber für mich ist das Schönste, wenn ich Menschen aus dem Publikum wiedererkenne. Es gibt schon einige im Publikum, die regelmäßig dabei sind!

Vielen Dank für das Gespräch, Daniella Strasfogel!

Alle Termine 2022:

SCHRUMPF! Terrain
Eine begehbare Installation im radialsystem
Samstag, 19. Februar 2022, 10 Uhr und 11.30 Uhr | Für Familien mit Kindern von 10-7 Jahren
Terrain ist eine immersive Installation, die klangliche und visuelle Elemente einer künstlichen Topographie mit den Besucher*innen in Dialog bringt. Vögel zwitschern, Blätter rascheln – oder ist es nur das Licht, das das Spiel der Natur andeutet? Das Publikum bewegt sich begleitet und geführt von Performer*innen in kleinen Gruppen durch die Installation wie durch eine Landschaft, sie beobachten und verfolgen Spuren und lassen dabei auch ihre eigene Spuren zurück.
Mitwirkende: Milla Koistinen / Paul Valikoski / Ladislav Zajac – Terrain
Konzept: Milla Koistinen, Paul Valikoski, Ladislav Zajac | Choreografie: Milla Koistinen mit Jin Lee und Jakob Jautz | Musik/Sounddesign: Paul Valikoski | Lichtdesign/Setdesign: Ladislav Zajac | Performer*innen: Jin Lee, Jakob Jautz | Produktionsleitung: Jana Lüthje

SCHRUMPF! LOVE:15
Zwei Duette kreieren ihre eigene Welt im radialsystem
Sonntag, 6. März 2022, Uhrzeit 11 Uhr | Für Familien mit Kindern von 8-5 Jahren
Zwei Menschen treffen aufeinander, um zusammen ein Kunstwerk zu kreieren. Was bringt jede*r an Geschichten oder Ideen mit? Und was kommt dabei am Ende heraus? In zwei Duetten erkunden vier Künstler*innen ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede und bringen diese in Klang, Bewegung und Bildern auf die Bühne: die Geigerin und Performerin Mari Sawada begegnet dem Tänzer und Choreografen Nitsan Margaliot und die Musikerin und Performerin Ildiko Ludwig trifft auf den Choreografen und Regisseur Lionel Ménard. Gemeinsam mit ihnen betritt das Publikum eine Welt voller möglicher Abzweigungen und Weggabelungen und schaut dabei zu, wie Künstler*innen zueinander finden.
Mitwirkende: Solistenensemble Kaleidoskop: Mari Sawada, Ildiko Ludwig
Konzept und Performance: Mari Sawada & Nitsan Margaliot, Ildiko Ludwig & Lionel Ménard Licht und Bühne: Bruno Pocheron Idee: Boram Lie

SCHRUMPF! Oktopus
Erkundung eines ganz besonderen Orchesters
28. August 2022, 15 Uhr | Für Familien mit Kindern von 8-4 Jahren| Ort tba
Was ist denn das für ein Ding? Ein Orchester ohne Dirigent*in und ohne Notenpulte? Die Besucher*innen können sich das Splitter Orchester aus nächster Nähe ansehen und -hören: von mittendrin! Dabei gibt es ganz besondere Instrumente zu entdecken, teilweise selbstgebaute Unikate. Und am Ende des Konzerts ist Zeit für Fragen und die Möglichkeit, das Instrumentarium ganz genau unter die Lupe zu nehmen.

SCHRUMPF! Die Maulwerker (AT)
am 24. oder 25. September 2022 | mit den Maulwerkern, Ballhaus Ost


SCHRUMPF! DieOrdnungDerDinge (AT)
15. Oktober 2022 | mit DieOrdnungDerDinge, Collegium Hungaricum Berlin

Drei weitere Veranstaltungen in Kooperation mit, Ariel Efraim Ashbel and Friends, Michael Rauter / Bob’s Company und Katharina Ernst sind für 2023 in Planung.

Alle aktuellen Informationen sowie Ticket- und Preisinfos unter www.loudsoft.de

Bei Verwendung des Textes bitte Quelle angeben bzw. verlinken.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert