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Mit besonderer Note: Stefan Peters „Strenge Rechnung“

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Ein Krimi? Auch. Ein Milieuroman? Kann man so sehen. Ein Wienroman? Nicht wirklich, aber die Stadt spielt eine nicht unerhebliche Rolle. Vielmehr ihre Atmosphäre, ihre Ticks, ihre Gesetzmäßigkeiten. Genau genommen ist „Strenge Rechnung“ von Stefan Peters also ein bisschen von allem. Rezension von Barbara Hoppe.

   

Die Welt der Jobcenter

Michael Bogner ist Sozialberater im schäbigen 15. Bezirk. Dort, wo Wien am hässlichsten ist, die Häuser langsam zerbröseln und vom alten Glanz der Altbauten nicht mehr viel übrig ist. Hier arbeitet er in einem Institut, das Arbeitslose wieder in Jobs bringen soll. Bogner ist Ende Vierzig, optisch noch ganz in Ordnung, aber innerlich hat er längst resigniert. Die Karriere als Pressefotograf hat er an den Nagel gehängt, Beziehungen sind nie von langer Dauer, das Verhältnis zu den Eltern ist mehr als gestört. Das kleine Beraterteam arbeitet kollegial und irgendwie hat sich jeder in seinem Job eingerichtet. Bis zu dem Tag, an dem sein Chef Steinhauer weitreichende Veränderungen ankündigt: Fortan müssen immer zwei Klienten gleichzeitig beraten werden, Büros werden ebenfalls zusammengelegt und die halbe Etage verschwindet plötzlich hinter einer eilends eingezogenen Wand.

Langsam dämmert es Bogner, dass hier etwas nicht stimmt, nicht stimmen kann. Sein Verdacht bestätigt sich, als er einen ehemaligen Kollegen wiedertrifft, der ihm von Mauscheleien und Unterschlagung von Fördergeldern erzählt. Als dann auch noch die Leiter verschiedener Jobberatungsinstitute sterben wie die Fliegen, kann auch Bogners Vorgesetzte Pani nicht mehr wegschauen. Die Gier schlägt eine Schneise, an deren Wegrand die Leichen liegen. Und Bogner weiß nicht mehr, ob er kämpfen oder fliehen soll. Und vor allem: Wie? Denn der Sozialberater ist alles andere als ein Superheld. Ein Normalo mit Reflexen, die wohl jeder hat, der seine Felle davonschwimmen sieht.

   
Coverabbildung © Picus Verlag
   

Wien einmal anders

   

Stefan Peters gelingt mit seinem Roman das Kunststück, ein an sich eher langweiliges Milieu, das durch viel Frust, Resignation und Hoffnungslosigkeit gekennzeichnet ist, zu einem spannenden Pflaster zu machen, in dem einige Skrupellose das große Geschäft wittern. Gespickt mit Wiener Lokalkolorit und einem angenehmen Maß Wiener Dialekt tauchen wir ein in eine Stadt jenseits der Touristenfolklore. Irgendwo zwischen Dichtung und Wahrheit dürfen wir vermuten, erfühlen, erahnen, ob hier das echte Wien zu finden ist. Auf jeden Fall ist es eine spannende Reise in die Abgründe einer Stadt und in die Abgründe, in die Gier den Menschen gleiten lässt.

Und am Ende? Da ist irgendwie alles geklärt aber nichts gelöst. „Strenge Rechnung“ ist ein ungewöhnlicher Roman, der nicht nur Krimispannung beschert, sondern vor allem durch die realistische Milieuschilderung seine besondere Note erfährt.

Stefan Peters
Strenge Rechnung
Picus Verlag, Wien 2018
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