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„Heiteres Wetter zur Hochzeit“ von Julia Strachey

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LiteraturVon Barbara Hoppe.

„Diese geistreiche kleine Erzählung zeugt von ungewöhnlichem Humor, Beobachtungsgabe und Verständnis“. So schrieb die New York Times vor 90 Jahren über das kleine Büchlein „Heiteres Wetter zur Hochzeit“ von Julia Strachey. Die Autorin, 1901 in Indien geboren, kam mit fünf Jahren nach England, wo sie zwischen verschiedenen Verwandten und Internaten aufwuchs. Versucht man, etwas über ihr Leben herauszufinden, kapituliert man schnell: Außer sechs Texten und zwei Ehen scheint sich nicht viel ereignet zu haben, auch wenn Julia Strachey selbst als intelligente und witzige Frau galt, die der Bloomsbury Group um Virginia Woolf angehörte. Letztere war es auch, die „Heiteres Wetter zur Hochzeit“ als „bemerkenswert säuerliche Geschichte“ bezeichnete und den Roman in der von ihr und ihrem Mann betriebenen Hogarth Press veröffentlichte.

Cover: Dörlemann Verlag

In der Tat ist der kurze Roman bemerkenswert. Erzählt werden nur wenige Stunden des 5. März, an dem Dolly Thatcham den Ehrenwerten Owen Bigham heiratet. Das Wetter ist, wie es sich für einen 5. März gehört – grau und kalt – und so ist auch die Stimmung in Dollys Herzen. Die letzten Stunden vor der Eheschließung vertrödelt sie grausam langsam in ihrem Ankleidezimmer, während im Haus diverse Familienmitglieder und Hausangestellte die letzten Vorbereitungen treffen, sich bekabbeln und verzweifeln, weil dies und das nicht ihren Vorstellungen entspricht. Viel schwerer trifft es Joseph Patton, der Dolly verehrt, sie aber nicht gewinnen konnte. Dennoch wühlt beide die Begegnung auf. Und statt der zu erwartenden, strahlenden Braut begegnet uns eine junge Frau, deren ganze Haltung – heute würde man wohl sagen: anti – ist. Die Hochzeit? Ist halt so. Das Kleid? Zieht man halt an. Die Frisur? Muss halt auch sitzen. Ein aufregendes Leben als Diplomatenehefrau? Scheint nicht sonderlich attraktiv. Dolly sitzt vor ihrem Schminktischchen und gibt sich dem Rum hin. Nichts, aber auch gar nichts ist hier heiter. Julia Strachey gelingt es mit leichtem Ton und dialogreich einen gelungenen Kontrast zu schaffen zwischen der Aufgeregtheit eines Hochzeittages und der Stimmung der Braut. Virginia Woolfs Urteil der „säuerlichen Geschichte“ wird dem Roman nur zu gerecht. Je mehr man liest, umso stärker beschleicht einem das Gefühl, dass hier ein junges Leben verschleudert wird – an eine langweilige Ehe in einem langweiligen Leben, weil es halt so ist. Und damit schreit Julia Strachey nicht mehr und nicht weniger den Frust vieler Frauen um ein vergeudetes, fremdbestimmtes Eheleben heraus.

Julia Strachey
Heiteres Wetter zur Hochzeit
Deutsch von Nicole Seifert
Dörlemann Verlag, Zürich 2021
bei amazon
bei Thalia

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