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Er hat die richtigen Botanicals: Carsten Sebastian Henn „Der Gin des Lebens“

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LiteraturVon Barbara Hoppe.

Für Bene läuft es gerade gar nicht gut. Seine Freundin gibt ihm just in dem Moment den Laufpass, als er ihr einen Heiratsantrag macht, sein Oldtimer versinkt im Rhein und die Kfz-Werkstatt, die Bene von seinem Vater geerbt hat, schreibt rote Zahlen. Zeit, findet Bene, die letzte Flasche des  selbstgebrannten Gins zu leeren, den Alexander Lerchenfeld seinem Sohn vor über zwanzig Jahren hinterließ. Doch statt sich ins Koma zu trinken, fällt Bene aus allen Wolken. Dieser Gin ist das Beste, was er je in den Händen gehalten hat.

Doch woher hatte sein Vater das Wissen um die geniale Rezeptur? Eine vage Spur führt Bene vom beschaulichen Merdingen im Schwarzwald nach Plymouth. Die pittoreske Stadt erobert Benes Herz im Nu. Der Hoe, der große Park am Meer mit seinem rot-weiß gestreiften Leuchtturm krönt das Städtchen und der Royal William Yard mit seinen imposanten „Gebäuden im spätgeorgianischen Stil, die mit Fensterstürzen, Gesimsen und anderen Verzierungen aus Granit militärischen Prunk verströmen“ fasziniert ihn. Aber mehr noch als die Stadt verzaubert ihn Cathy, die Besitzerin des Bed & Breakfast, wo sein Vater bei seinen Aufenthalten in der Stadt immer wohnte. Doch die junge Frau steckt in Schwierigkeiten. In ihrem verwunschenen Garten wurde ein Obdachloser ermordet, der ermittelnde Inspector Dolliver pflegt einen persönlichen Hass gegen sie und ihre eigene Gin-Recherche, ebenfalls ein Vermächtnis ihres Vaters, kommt nicht voran.

Buchcover: DuMont Buchverlag

Schon längst ist man als Leser an dieser Stelle der Ginkulinarik verfallen, nicht zuletzt durch die sehr lehrreich eingestreuten Ausflüge in die Kunst der Gin-Mazeration. Geschickt spannt Carsten Sebastian Henn seinen Spannungsbogen entlang der Entschlüsselung des Rezepts. In Rückblenden kommt der Leser dem Geheimnis näher, während es Cathy und Bene auf der Suche nach den richtigen Botanicals ins Dartmoor verschlägt, dieses „grüne Meer aus Moos und Gras, aus riesigen Wellenbergen und Tälern“, in dem der gelbe Ginster sprießt, Ponys und Schafe am Wegesrand grasen und kleine Bäche im Sonnenlicht glitzern. Ihnen auf den Fersen sind unbekannte Gegner, die keine Skrupel kennen, um das Paar mit allen Mitteln daran zu hindern, hinter das Geheimnis des Gins zu kommen.

Carsten Sebastian Henn gelingt ein wohl komponierter Roman zwischen deutscher Krimispannung, und humorvoller Unterhaltung, bei dem man sich mehr als einmal fragt, ob man es hier wirklich mit einem Autor von der Mosel zu tun hat, so viel britische Exzentrik steckt in den Zeilen. Ganz abgesehen von der wichtigsten Krimizutat überhaupt: die eine oder andere Leiche am Wegesrand.

Carsten Sebastian Henn liest aus „Der Gin des Lebens“ hier.

Carsten Sebastian Henn
Der Gin des Lebens
DuMont Buchverlag, Köln 2020
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Dieser Artikel erschien am 2. Mai 2020 in DAS WOCHENENDE! der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Frankfurter Neuen Presse und Frankfurter Rundschau.

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