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Ein Schmankerl im Beethoven-Jahr: „Inside Eroica“

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Feuilletonscout Das Kulturmagazin für Entdecker MusikRezension von Ingobert Waltenberger.

Ferdinand Ries hat die dritte Symphonie Beethovens für Klavierquartett arrangiert. Ries‘ Transkription spiegelt die musikalischen Gepflogenheiten im frühen 19. Jahrhundert, wo Hauskonzerte und Salonmusik wohl die weit verbreitetsten Möglichkeiten waren, die jeweils neuesten Kompositionen kennenzulernen. Schallplatten gab es noch lange nicht.

Der Beethoven Schüler Ries war lange Zeit auch eine Art Assistent des großen Meisters. Die Sommer der Jahre 1803 und 1804 verbrachte er überwiegend gemeinsam mit Beethoven in Baden sowie in Döbling. Er hat gute Arbeit geleistet, meint das Flex Ensemble. Nur kleinere Anpassungen waren nötig, weil bestimmte Stimmen und Harmonien fehlten. Die Cellistin Martha Bijlsma genießt die Freiheit, die die Kammermusikfassung bietet und schätzt, die „Struktur des Stücks in einer sehr intimen, direkten fast nackten Weise offenlegen zu können.“

Mir gefällt die Idee der CD, weil sie uns nicht nur in eine völlig andere Zeit der Rezeption der damals alle Rahmen und Vorstellungen sprengenden ,Eroica‘ entführt, sondern uns gleichzeitig mit dem Versuch, Zeitgenössisches an den Beginn und das Ende zu stellen, das Unerhörte der Beethovenschen Schöpfungen heute wieder erlebbar machen will. Gordon Williamson hat für den Beginn von „Inside Eroica“ eine „Couverture“ und für das Ende ein „Encore“ geschrieben. Das „Encore“, eine „Art Parodie über das Thema und die Variationen des Finalsatzes“ war der humoristische Angstnehmer für den kanadischen, in Hannover lebenden Komponisten. Die „(C)Ouvertüre“, eigentlich eine Bezeichnung für eine Decke oder den Schokoladenüberzug einer Torte, will Beethoven als Pate der zeitgenössischen Musik würdigen. Es ist halt Pech, dass in Anbetracht der Urgewalt der Beethovenschen „Dritten“, Sekunden nach Start des ersten Satzes kaum mehr etwas von der „Couverture“ haften bleibt. Da ist die Konsistenz dann doch zu dünn. Gut gemeint, aber wenig wirksam. Das „Encore“ hingegen bietet als ironisierender Nachklang durchaus einen passenden Übergang ins Jetzt.

Sehr beeindruckend ist die Bearbeitung der „Eroica“ des Ferdinand Ries als auch die beherzt zupackende und elektrische Funken schlagende Interpretation durch das Flex Ensemble. Es ist eigentlich ein andere Werk, das wir hören. Besonders die ,Marcia funebre‘ und das ‚Adagio assai‘ ist hier aussagekräftiger und erschütternder geraten als dies landläufige Einspielungen mit Orchester bieten können. Kana Sugimura (Violine), Anna Szulc (Viola), die schon erwähnte Martha Mijlsma (Cello) und der fantastische Johannes Nies (Klavier) musizieren mit feiner Klinge, sie ahmen in ihrem Spiel kein Orchester nach und wollen das auch gar nicht, sondern sie überzeugen mit kammermusikalischer Durchhörbarkeit, einer konzentrierten Binnenspannung und einem überragenden Stimmen-Feintuning in den harmonischen Geflechte, je nachdem, wie die Instrumente zueinander jeweils gewichtet sind.

Das im Februar 2020 in der Jesus-Christus-Kirche in Berlin-Dahlem aufgenommene Album ist auch klanglich hervorragend gelungen. Ein echtes Schmankerl zum Beethoven Jahr.

Gordon Williamson / Flex Ensemble
Inside Eroica
Cavi (Harmonia Mundi) 2020
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