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BERLIN is not AM RING: Wagner mit glanz&krawall und Anarchie

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Von Barbara Hoppe.

Die ursprüngliche Idee entstand vor zwei Jahren. Damals rief die Musiktheatergruppe glanz&krawall ein kleines anarchisches Festival ins Leben: Mit „Berlin is not Bayreuth“ feierte die Gruppe mit einem Team Gleichgesinnter und Wagners „Tannhäuser“ das hierarchiefreie Aufeinandertreffen von E- und U-Musik, von Hochkultur und Pop. In diesem Jahr geht es in die dritte Runde. „BERLIN is not AM RING“ heißt es vom 20. bis 22. August in der Lichtenberger FAHRBEREITSCHAFT. Was wird anders sein? „Damals waren wir die Newbies, die Wagners Brief an seinen Musikerfreund Theodor Uhlich total naiv wörtlich nahmen“, sagt Dennis Depta, Dramaturg von glanz&krawall, und erklärt: „Wir bauen etwas, eine neue Oper, zeige diese dann drei Tage lang, um danach alles abzureißen, abzufackeln und den Leuten zu sagen: macht es genauso.“

Dieses Jahr nun steht Richard Wagners „Ring des Nibelungen“ auf dem Programm. Der Gruppe gefiel die Vorstellung, dass Wagner beim Konzipieren der Oper 1848 vielleicht eine Ohnmacht spürte, die der Lethargie des Jahres 2021 gleicht. „Mit dem „Ring“ kann man nicht umhin, den Blödsinn, der seit der Industrialisierung läuft, komplett zu hinterfragen, auch wenn Richy W. es selbst während des Schreib- und Kompositionsprozesses nahezu nivellierte“, findet Dennis Depta. Heutzutage gehörten dazu nicht nur „Rock am Ring“, sondern auch VIP-Lounges, Premium-Tickets und die Macht der Online-Ticket-Verkäufer. Von der Wagner-Oper selbst wird nicht mehr viel übrig bleiben. Oder genauer: Nichts von dem, was man kennt, aber alles, was der Komponist zu seiner Zeit offenbaren wollte, betont Depta. Ziel sei, die Musik durch die theatrale Aufführung zu hinterfragen und anzugreifen – mit all den Macken, Sexismen und Minderkomplexitäten, die man noch darin fände. Dem Ensemble geht es darum, das Museale abzulegen und mit seinem Angriff auf das Original die Schönheit des Werkes wieder aufscheinen zu lassen.

Dafür sei es auch nicht nötig, Wagners Oper zu kennen. Das Motto des Ensembles lautet „Oper für alle“, bei der Experten auf Besucher träfen, ob mit oder ohne Vorwissen. „BERLIN is not AM RING“ möchte als kleines, anti-kapitalistisches Musik- und Theater-Festival und jeder Menge künstlerischer Freiheit die Oper wieder ernst nehmen. So stehen neben glanz&krawall auch das inklusive Theater Thikwa, die BigBand Omniversal Earkestra mit Musikern aus Mali, die Rock’n’Roll-Wrestler von Project Nova Wrestling und der Wagner-Fan und US-Rapper Black Cracker auf der Bühne.

Und was hat das alles mit Berlin zu tun? Für glanz&krawall eine Menge. Zu viel Ausverkauf, Kommerz und Gewinnmaximierung überlagerten Fragen wie „Was kann Berlin sein? Was ist es überhaupt? Ihre Faszination, so findet das Ensemble, liege in den Splittern der Stadt – „vom Schrebergarten in Buch bis zur Villa in Reinickendorf und dem Kleintierzüchter in Rudow.“ Der Veranstaltungsort FAHRBEREITSCHAFT in Lichtenberg sei daher wie geschaffen für den Spagat zwischen Ost und West, U- und E-Musik, Trivial und Hoch, Berlin und Nürburgring. „Schließlich“, so Depta, „wurden an diesem Ort Westlimousinen für die Ostelite in Schuss gebracht und Mielke und Co feierten hier in der hauseigenen Bar.“

Die Zuschauer dürfen sich also auf eine Parallelwelt freuen, in der Oper, Musik, Theater, Performance, Gemeinschaft und Festival Hand in Hand gehen. Eskapistische Momente sind ebenso zu erwarten wie die Auseinandersetzung mit gesellschaftspolitischen Fragen. Aber vor allem, betont Dennis Depta, solle der Austausch zwischen unterschiedlichen Menschen befördert werden. Und das, so verspricht das Programm, mit viel Wumms ganz nach Wagner: Aufbauen, Spielen, Abreißen.

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Der Artikel erschien ebenfalls in der Kulturbeilage „Berliner Bühnen“ der Berliner Morgenpost im August 2021.

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