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Vorgeschmack auf den Frühling: Von Sagen und Helden

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Feuilletonscout Das Kulturmagazin für Entdecker Musik

Die neue CD von Sebastian Kohlhepp und Andreas Frese bringt uns die aufblühende Natur auf die Ohren, findet Stefan Pieper.

Sind Liederabende mit romantischem Liedgut für immer dazu verurteilt, eine Nische fürs Bildungsbürgertum in fortgesetztem Alter zu sein? Eigentlich nicht – zumal sich der Zeitgeist vieler junger Menschen wieder verstärkt der Natur öffnet. Und von Natur ist in den Liedern von Schumann, Schubert, Liszt oder auch des Schweden Emil Sjörgen reichlich die Rede. Ebenso wie die dazu komponierte Musik sämtliche Empfindungen, die daraus hervorgehen, verstärkt.

Zugleich existiert heute im Liedfach eine lebendige, künstlerische Gegenwart dank vieler hochmotivierter, stimmlich frischer und idealistischer Interpretinnen und Interpreten, die viel Lebensgefühl von heute in die Sache bringen. So etwas trifft auch auf den Tenor Sebastian Kohlhepp zu, ebenso auf den Pianisten Andreas Frese, der dem Sänger zur Seite steht. Das ist auf der neuen Aufnahme dieses Duos mit dem Titel „Von Sagen und Helden“ auf jeden Fall hörbar.

Kohlhepp ist auf internationalen Bühnen gefragt, aber es zog ihn ebenso in verinnerlichtere musikalische Bahnen hinein. Heraus gekommen ist nun ein aktuelles Liedprojekt für das Label ARS, das mit beeindruckender stimmlicher Bravour, höchster artikulatorischer Frische und in einer Programmauswahl, die einen im wahrsten Sinne des Wortes beflügelt, einen reichen Spannungsbogen erzeugt.

Diese Musik entfaltet im Kleinen ihre Größe

Vergessen wir den bildungsbürgerlichen Liederabend und probieren eine Hörsituation von heute aus: In diesem Fall mit einem guten Kopfhörer während einer ausgiebigen Fahrradrunde durch die vorfrühlingshafte Natur. Und ja, das passt! Frische Luft, körperliche Aktivität und das Verlassen des stillen Kämmerleins öffnen alle Poren, um aufnahmebereit zu werden für die gebündelte Lebendigkeit, die von diesem Duo ausgeht. So viel belebende Kraft kann nicht länger aus einem vergangenen Jahrhundert kommen. Kohlhepps relativ helle, aber dennoch körperhaft geerdete Tenorstimme findet genau die richtige Dosierung zwischen lyrischem Feingefühl und vitaler Kraftentfaltung. 

Vieles was aus den Liedtexten auf diese Weise ins Ohr und ins emotionale Zentrum hineinweht, hat mit Natur, mit Sehnsucht, mit Liebe, kurzum mit dem Leben in seiner ganzen elementaren Kraft zu tun. Schumann hat Gedichte von Geibel und Ludwig Uhland vertont. Franz Liszt hat man als Liedkomponisten nicht unbedingt auf dem Schirm, aber er hat sich mit ebenso viel Meisterschaft der Sprachkunst von Heine und Schiller angenommen. Der Schwede Emil Sjögren schuf aus den Julius Wolffs „Tannhäuser“ keine opulentes Opernwerk, sondern einen sechsteiligen Zyklus aus Momentaufnahmen voller aufrichtiger Empfindung. Und Schumanns Eichendorff-Lieder, wo es um Stille, Mondnächte, Zwielichter und noch viel mehr geht, nähren den Wunsch, dass es doch endlich Frühling werde.

Sebastian Kohlhepp und Andreas Frese erweisen sich hier als beherzte Vermittler für diese große Musik, die gerade im Kleinen oft ihre Größe offenbart und deren Sprachgewalt in den Liedern – egal auf welche Weise „konsumiert“ – zu Beglückung und Bildung gleichermaßen führt.

Von Sagen und Helden
Sebastian Kohlhepp: Tenor
Andreas Frese: Klavier
ARS-Produktion 2023
bei amazon

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