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Vielfältige Stimmungen: Nicolai Pfeffer „Echi d‘Opera“

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Feuilletonscout Das Kulturmagazin für Entdecker Musik

Opernmusik eingerichtet für Klarinette und Orchester, Markus Stenz dirigiert das Orchestra della Toscana. Von Ingobert Waltenberger.

Zwei Jahre ist es her, da haben Nicolai Pfeffer und das Florentiner Orchester unter der musikalischen Leitung von Markus Stenz mit einer brillant wohltönenden, expressiven und intuitiv-sensitiven, von himmlischen Legatobögen getragenen Interpretation von Mozarts „Klarinettenkonzert in A-Dur K 622 trotz der unglaublichen Konkurrenz im Katalog mehr als aufhorchen lassen. Schon damals hat Pfeffer mit der Aufnahme einer Bearbeitung der Konzertarie von Mozart „Sperai Vicino il Lido“ KV 368 nach einem Text aus „Demofonte“ von Pietro Metastasio als Konzertsatz für Klarinette & Orchester von Andreas N. Tarkmann sein Faible für die Welt der Oper erkennen lassen.

Mit dem neuen Album wagt sich Nicolai Pfeffer ganz in die goldenen Gurgeln zart schmachtender Primadonnen, wirft sich in die glänzende Schale eitler Tenöre und wandelt auf den Spuren dusterer Baritonseelen. Dabei haben ihn offenbar italienische Belcanto-Opern besonders gereizt. Auf dem Programm stehen nämlich zuvörderst Bearbeitungen eingängiger Opernreißer aus Giuseppe Verdis „La Traviata“ und „Rigoletto“.

Die Klarinettisten Donato Lovreglio und Luigi Bassi haben im 19. Jahrhundert zu den bekanntesten und damals wohl auf allen Straßen gepfiffenen Gassenhauern aus den beiden Opern Konzertfantasien für Klarinette und Klavier gebastelt, die ihr unglaubliches Virtuosentum in schimmerndes Licht rückten. Nicolai Pfeffer hat diese kammermusikalischen Paraphrasen instrumentiert und reizvoll für Klarinette und Orchester eingerichtet. Pfeffer über Bassi: Er „vereint in seinen Opernfantasien den lyrischen Ausdrucksreichtum des Instruments mit fulminanten technischen Einfällen.“

Als Modell und stilistisches Grundgerüst der Instrumentierung nutzte Pfeffer das Klarinettensolo, das Verdi zu Beginn des dritten Aktes zu „La Forza del destino“ ersann und das er dem Klarinettisten Ernesto Cavallini auf den Leib schrieb. Also ergänzt dieser Programmpunkt gut das Verdische „Opernfeuerwerk en miniature.“

Warum Pfeffer allerdings als Editor nicht weitere Opernparaphrasen von Luigi Bassi nach Opern von Vincenzo Bellini ins Programm nahm, sondern das Concertino für Klarinette und Orchester von Carl Maria von Weber, steht auf einem anderen Blatt. Sicher können Parallelen zu den unabdingbaren vokalen „Qualitäten der Klarinette“ gezogen werden und bereits der zehn Jahre nach der Entstehung des Concertinos uraufgeführte „Freischütz“ in den Zeugenstand gerufen werden. Stringent erscheint die Zusammenstellung nicht unbedingt. Das gilt erst recht für die das Album eröffnende Freischütz-Ouvertüre.

Dies gesagt, kann aber über die künstlerische Realisierung der beiden Konzertfantasien nur überaus Positives berichtet werden. Der quirlige Solist, Kammermusiker, Pädagoge, Herausgeber, Publizist und Juror, engagiert sich beim Wiesbadener Instrumentenbauer Arthur Uebel an der Verbesserung von Klarinetten deutscher Bauart.

Schon beim Weberschen Concertino fällt auf, wie sanglich Pfeffer auf und ab phrasiert, in satte Tiefen ebenso zu steigen vermag wie er geheimnisvolle mezza voce-Passagen, verspielte Läufe und lyrisch versponnene Bögen gleichermaßen beherrscht. Im finalen Allegro sitzt ihm der Schalk im Nacken. Zuletzt brettert in der letzten Steilkurve des Stücks mit Formel I Rasanz in die Zielgerade.

In der Fantasie über Verdis „La Traviata“ erklingen die Hauptthemen der großen Arie aus dem ersten Akt possierlich verziert. Lovreglio hat schon gar dick aufgetragen mit all den Skalen rauf und runter, den aberwitzigen Trillern und wendigen Koloraturen, die er wie Weinlaub wild um die Hauptmelodiebögen ranken und wuchern lässt. Das Trinklied wird beschwipst serviert, das fiebrige Tuberkuloseleid der Violetta kommt hingegen gar nicht vor. Das Arrangement endet fröhlich-beschwingt.

Hochdramatischer geht es Bassi in der Paraphrase über „Rigoletto“ an. Mit knapp 15 Minuten Spielzeit ist es das längste Stück der CD. Vielfältige Stimmungen kennzeichnen dieses Potpourri, wenngleich der Klarinettist auch hier reichlich Gelegenheit hat, sein Können in tollkühn akrobatischen Figuren vorzuführen. Dazu gesellen sich Einschmeichelndes wie das Nachahmen tenoraler Verführungskunst, fetzig reduzierte Ensembles bis hin zur Imitation von Gildas glitzerndem Koloraturgewitter. Die Klarinette ist ein Instrument, das universell wundertütet, erst recht, wenn Nicolai Pfeffer sie spielt. Ob höfischer Pomp und Intrigenwirtschaft in Mantua, erotisches quid pro quo oder mädchenhafte Verzückung, Pfeffer formt alles zu fein gewebten Klangwandteppichen, raffiniert in satt leuchtenden Farben gestickt. Auch bei dieser Fantasie bleiben – wie nicht anders zu erwarten – die düsteren Töne der Partitur ausgespart.

Generell kann immer wieder über den immensen Tonumfang des edlen Instruments und über das lichtgeschwinde Tempo gestaunt werden, mit dem kleinste Notenwert abgespult.

Echi d´opera – Werke von Verdi, von Weber, Lovreglio & Bassi
Nicolai Pfeffer 
Orchestra della Toscana
Novantiqua 2022

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