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Unterwegs … mit Freunden durch Georgien: Boom von Batumi

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Seit mehr als einem Viertel Jahrhundert bin ich mit dem georgischen Maler Georgi und seiner deutschen Frau Rita befreundet. Immer wieder sprachen wir davon, sein Heimatland gemeinsam zu bereisen. Ich lese seit langem georgische Literatur, genoss 2018 die Frankfurter Buchmesse, bei der Georgien Gastland war. Nun endlich in diesem Sommer passte es ganz spontan, dass wir gemeinsam durch Georgien reisten.

Von Birgit Koß.

Wer kann, flieht im Sommer aus Tbilissi mit seinen 40° an die Schwarzmeerküste. Das war auch schon zu Zeiten der UdSSR so. Anfang der 90er Jahre in Zuge der georgischen Unabhängigkeit kam es zum Krieg in Ossetien und Abchasien. Seit 1994, als sich die georgische Republik Abchasien unter dem Schutz Russlands für selbständig erklärte, gilt dieser Konflikt als „eingefroren“. Somit sind die schönen Strände von Abchasien für Georgier und viele andere Touristen unerreichbar und der Küstenstreifen Georgiens hat sich auf 120km verkürzt.

Foto (c) Birgit Koß

Dies hat Batumi mit seinen ca. 200 000 Einwohnern ins Zentrum gerückt und erneut einen riesigen Bauboom beschert. Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts boomte die Stadt durch das Erdöl und schmückte sich in der Altstadt mit stattlichen Gebäuden im Jugendstil und Klassizismus. Aus der ehemaligen Industrie- und Ölhafenstadt, ist heute der Touristenhotspot geworden. Besonders gefördert durch den von 2004 bis 2013 regierenden Staatspräsidenten Micheil Saakaschwili, der mit amerikanischer Unterstützung Georgien für den Tourismus erschließen wollte, entstanden die ausgefallenen Gebäude an der Skyline von Batumi – Little Las Vergas lässt grüßen.

Foto (c) Birgit Koß

Energiesparen – kein Thema, alles wird farbenfroh beleuchtet, Wasserprobleme gibt es nicht, alle Springbrunnen fließen… Dagegen steht der Verkehr auf der Küstenstraße – trotz hoher Benzinpreise reihen sich SUVs und andere Luxusfahrzeuge nahtlos aneinander im Stau. Die durchgehende Autobahn von Tbilissi aus ist im Bau von chinesischen Firmen, als Teilstück der Seidenstraße. Hier wird gnadenlos durch das Gebirge gebohrt- es sind 56 Tunnel geplant – oder Stelzen werden in Flusstäler gesetzt.

Foto (c) Birgit Koß

Der botanische Garten

Nur wenige Kilometer von der brodelnden Metropole entfernt ist der 110 Jahre alte botanische Garten. Angelegt wurde er 1912 von dem georgischen Botaniker und Geografen Andrei Krasnov. Auf 108 ha wachsen hier inzwischen über 5000 Arten aus verschiedenen Klimazonen. Von einer Höhe von 220 Metern erstreckt er sich bis zum Meeresniveau und bietet damit wundervolle Aussichtspunkte auf die Küstenlandschaft. Unten angekommen, wird man mit einem Bad im Schwarzen Meer und einem traumhaften Sonnenuntergang belohnt.

Foto (c) Birgit Koß

Georgien als Sehnsuchtsort

Während der Sowjetunion war Georgien das kleine Paradies in der Sonne. Auch heute zieht es viele Touristen in dieses abwechslungsreiche Land. Viele Besucher kommen aus arabischen Ländern – unschwer zu erkennen und eindeutig vermögend, ebenso wie aus Israel, Armenien und Aserbaidschan. Daneben gab es immer schon viele Besucher aus Russland, jetzt spricht man von 300 000 Russen, also etwa 10% der Bevölkerung, die bedingt durch den Krieg in der Ukraine auf Dauer hier leben wollen – nicht  immer wohlgelitten. So erzählte mir meine Gastgeberin in Tbilissi, dass ihre Freundin immer bei einem bestimmten Straßenstand sehr schmackhaften Käse gekauft hat für ca. 10 bis maximal 15 Lari, das sind etwa 3 bis 5 €. Als sie das letzte Mal dorthin kam, verlangte der Mann plötzlich 30 Lari. Auf ihre Nachfrage, wie das denn komme sagte er nur „ wenn du den nicht kaufst… die Russen zahlen den Preis“.

Foto (c) Birgit Koß

Neue Wege

Wir lernen die 22jährige Lou in Batumi kennen. Sie ist Geschäftsführerin im veganen Restaurant ihres Onkels – gute Karte, stylische Gemälde an den Wänden. Der Laden boomt – ein Tagesumsatz von ca. 5000 Lari, sagt sie. Selbst wenn man die Unkosten abzieht … viele verdienen dies nicht mal im Monat.

Georgien bleibt das Land der totalen Gegensätze. Wer am Schwarzen Meer ein Grundstück hat – einfach nur ererbt, kann den Gewinn kaum berechnen und träumt vom großen Vermögen. Allerdings stellt sich mir die Frage – wieviel Hotels und Hochhäuser verträgt die Gegend? Doch noch ist der Bauboom ungebrochen. Auf der anderen Seite lebt ein Großteil der Bevölkerung von der Hand in den Mund, ist auf Selbstversorgung oder Hilfe durch Verwandte im Ausland angewiesen. Doch bei allen wirtschaftlichen und politischen Sorgen bleibt die Lebensfreude und große Gastfreundschaft der Georgier und ihr Optimismus, dass es immer weiter geht! So komme ich mit vielen Eindrücken und Gastgeschenken zurück– ja, in diesem Land werden die Gäste nicht nur überaus herzlich aufgenommen, sondern auch noch reichlich von ihren Gastgebern beschenkt –  und halte es mit Hölderlin: „Strebt nach Kolchis hinauf“, dem Sehnsuchtsort zwischen Orient und Okzident, den schon in der Antike die Argonauten auf der Suche nach dem golden Vlies besucht haben. Davon zeugt auf Batumis Europaplatz die Statue der Medea, die das goldene Vlies hochhält.

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