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!Tipp: Transzendentale Sprach-Kunst: Haruki Murakami „Die Ermordung des Commendatore“, Band 2

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Rezension von Barbara Hoppe.

Wir erinnern uns an Band 1: Ein Maler, von seiner Frau verlassen, hat sich in das Haus des ehemaligen, sehr berühmten, Nahonga-Malers Tomohiko Amada, der Vater eines Freundes, zurückgezogen. Hier in den Bergen versucht der Namenlose Ich-Erzähler, zur Ruhe zu kommen und seiner Kunst eine neue Richtung zu geben. Es klappt auch. Der ebenso elegante wie reiche und mysteriöse Menshiki gibt bei ihm ein Porträt in Auftrag, das ein Befreiungsschlag für den Künstler wird. Und dann sind da noch Marie Akikawa und ihre Tante, die wie Menshiki auf der anderen Seite des Tals wohnen. Ein weiteres Porträt, dieses Mal von dem Mädchen, soll gemalt werden.

Wenngleich Menshiki nicht gefährlich und eine ausgesucht höfliche, geistreiche und eloquente Gesellschaft ist, bleibt er geheimnisvoll und undurchsichtig. Mit seinem Auftauchen passieren zunehmend rätselhafte Dinge: Nachts läuten feine Glöckchen, eine geheimnisvolle Grube im Wäldchen hinter dem Haus tut sich auf, eine Idee materialisiert sich, „Die Ermordung des Commendatore“, ein bisher unbekanntes Bild des Nahonga-Malers, übt eine eigenartige Faszination aus. Hängt dies alles mit dem eleganten Mann aus dem großen weißen Haus zusammen?

Als Marie verschwindet, während der Künstler den alten Tomohiko Amada im Pflegeheim besucht, steht eine große Prüfung bevor: Denn nur durch ein Blutopfer und eine gefährliche Reise durch die Welt der Metaphern kann das Mädchen gerettet werden. Die materialisierte Idee wird abgelöst von einer sich wandelnden Metapher. Der namenlose Ich-Erzähler, der in einer eigenartigen Geistesverwandtschaft zum sterbenden Nahonga-Maler steht, muss sich entscheiden ob er die Grenzen des Seins überschreiten und Marie retten will.

War der erste Band noch wie ein langer ruhiger Fluss, der die Stromschnellen und Strudel erahnen ließ, geraten wir im zweiten Band dieses grandiosen Romans unversehens hinein in ein unheimliches Abenteuer, dass unserer Vorstellungskraft einiges abverlangt. Denn das Herz einer jeden Erzählung von Murakami ist die Transzendenz. Das Überschreiten der Grenze zwischen unserer Fantasie und dem Realwerden dessen, dem der Schriftsteller durch sein Schreiben eine Seele einhaucht: Das tiefe Dunkle in ihm selbst, das wir in seinen Figuren wiederfinden und was mitunter verstört. Es ist immer auch ein Stück der Lebenswelt von Haruki Murakami, das wir in seinen Büchern erleben. Ein Entfliehen, ein Lösen des Geistes vom Körper. Der Abstieg des Ich-Erzählers in eine „Unter“-Welt ist ein Eintauchen in die dunkle Seite seines Seins. Es ist eine fantastische Reise durch den Subtext eines scheinbar offensichtlichen Sachverhalts. Ein Abenteuer im Grenzbereich zum  Nichtsein, eine Läuterung, eine Reinigung. Eine Reise zu sich selbst. Meisterhaft finden Kunst und Sprache hier zu einem anderen Bewusstseinszustand zusammen.

„Die Ermordung des Commendatore“ ist ein weiteres Meisterstück von Haruki Murakami, der den Nobelpreis für Literatur endlich verdient hätte. Es ist eine fantastische Expedition in die Tiefen der Sprach-Kunst, in der wir uns auch immer selbst gegenüber stehen.

Haruki Murakami
Die Ermordung des Commendatore Band 1 und 2
DuMont Buchverlag, Köln 2018

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Coverabbildung © DuMont Buchverlag

Rezension zum Nachhören als Podcast: hier

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