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TATORT „Dreams“ mit Musik von David Reichelt

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Feuilletonscout Das Kulturmagazin für Entdecker Musik

Eine Tatort-CD? Gibt’s ja nicht. Kein Hörspiel offensichtlich, weil ja ein Orchester die Hauptrolle spielt. Und was hat diese erfolgreichste deutsche Fernsehserie mit Träumen zu tun? Eine Spurensuche von Ingobert Waltenberger.

Enthält das Album die „Best-of “ Musikuntermalungen aller Tatorte seit der ersten Ausstrahlung 1970? Na ja bisher gab es in ARD, ORF und SRF über 1100 Tatort Filme, jährlich kommen ca. 35 dazu, also auch keine sehr wahrscheinliche Variante. Über all das könnte man genüsslich rätseln, wenn nur das Cover als Informationsquelle herhalten muss.

Aber wir haben für Sie, werte Leserschaft, Undurchschaubares recherchiert, die SpuSi war mit vollem Gerät vor Ort. Also: Es handelt sich bei dieser ominösen CD um Film- und Konzertmusik für eine einzige Tatort-Folge, die am Sonntag, 7. November 2021, um 20.15 Uhr, im Ersten ausgestrahlt wird. Der Soundtrack wird von BR-Klassik bereits am 5. November 2021 veröffentlicht. In ihrem 87. Fall werden die Münchner Kommissare Ivo Batic und Franz Leitmayr zu Aufklärern in Sachen Klartraum. Was das schon wieder sein soll, lesen Sie später. 

Die schaurig-böse und unheimliche Welt der Orchester

Der Streifen spielt in der sogenannten Hochkultur. Diesmal bildet ein Orchester und die gnadenlose Konkurrenz unter den Instrumentalisten den Hintergrund für eine kleine verquaste Spielanordnung: Die Geigerin Marina (Jara Bihler) weiß nicht mehr, ob sie ihre seit Tagen verschwundene „beste“ Freundin, aber halt auch Konkurrentin, nicht nur im Traum ermordet hat. Marina ist nämlich Klarträumerin, sie kann luzide Träume zur eigenen Leistungssteigerung verwenden, aber – oh Pech – geträumte von realen Erinnerungen nicht mehr unterscheiden. Natürlich geht es im Film nach ihrem „Geständnis“ rätselhaft weiter: Am imaginierten Tatort, dem Dach des Münchner Gasteig, findet sich keine Leiche, aber Blutspuren. Soweit der Plot, jetzt zur Musik.

Bei diesem Tatort spielt das Münchner Rundfunkorchester unter dem Chefdirigenten Ivan Repušić (Darsteller im Film, nicht Dirigent der CD) mit. Die Filmmusik für „Dreams“ stammt vom Münchner Komponisten David Reichelt (130 Seiten Partitur!), Andreas Kowalewitz hat im Studio den Taktstock geschwungen.

Zitatort 

„Dreams“ ist klassische symphonische Filmmusik, mit schwebenden Klängen bis lautmalerisch montierten Suspense-Effekten gespickt. Die symphonische Anlage überwiegt, in ihren additiven Pattern, der eingängigen musikalischen Anlage hätte Philipp Glass oder  Steve Reich Pate stehen können. Natürlich gibt es die großen pompös pathetischen Tutti, ohne die keine echte Filmmusik seit „Lawrence von Arabien“ mehr auskommt. Durchaus gekonnt und symphonisch brillant sind die 20 mit Titeln wie „Nocturne“, „Der paradoxe Schlaf“, „Die Luft der großen Bühnen“, „Oneironauten“ oder „Tod und Schlaf“ getauften Konzertstücke , inspiriert von Wagners „Siegfried“ bis zu Anklängen an die Stilistik der klassischen Moderne, in die filmische Handlung integriert. Die Übergänge der Konzert- und Filmmusik sind fließend.

David Reichelt: „Live gespielte Musik im Bild kann vor der Szene beginnen, sich aus der Filmmusik lösen, aber genauso nach dem Szenenwechsel wieder ein Teil der Filmmusik werden. Es war eine sehr reizvolle Aufgabe, Musik zu schreiben, die inhaltlich den Film trägt, aber gleichzeitig dem Gestus eines klassischen Konzertstückes gerecht wird.“

Klartraumforschung

Laut den Drehbuchverantwortlichen Johanna Thalmann und Moritz Binder kann das luzide Träumen vielen Menschen in ihrer Traumatherapie nützen. Traumzeit könne aber auch als Trainings- und somit als Arbeitszeit für sogenannte „Overachiever“ nutzbar gemacht werden. Im Sport wird das gezielt angewendet, in der Musik kann dadurch der Perfektionsgrad noch einmal erhöht werden. Dabei gleicht Stress im Orchestermusiker vor dem Einsatz dem in der Formel 1. Die Leistungsgesellschaft kostet die Leistenden nun also auch noch ihre Träume. Ob das immer ungestraft abgeht, dazu müssen sie sich „Dreams“ anschauen.

Viele Debüts

Die Dreharbeiten liefen im Februar und März 2021, Regie führte Boris Kunz, das Drehbuch schrieben Johanna Thalmann und Moritz Binder. Produziert wurde der Film von Florian Kamhuber, Simon Amberger, Korbinian Dufter und Rafael Parente, im Auftrag des BR. Es ist der erste NEUESUPER-Tatort. „Als Produzenten reizt es uns, mit jugendlicher Energie Grenzen auszuloten. Daher freut uns besonders, dass wir ihn mit einer Riege an jungen Talenten vor und hinter der Kamera umsetzen konnten. Für Jara Bihler war es die allererste Hauptrolle im Fernsehen. Auch für die beiden Autoren Johanna Thalmann und Moritz Binder war es der erste Tatort. Boris Kunz ist zwar ein erfahrener und vielfach ausgezeichneter Regisseur, aber auch für ihn war diese Tatort-Arbeit eine Premiere.“ 

Es spielen Udo Wachtveitl, Miroslav Nemec, Ferdinand Hofer Stefan Betz, Jara Bihler, Dorothée Neff, Theo Trebs, Lisa Marie Janke, Katrin Röver und George Lenz.

Ausstrahlung am Sonntag, 7. November 2021 um 20.15 Uhr im Ersten.
Nach der Ausstrahlung ist dieser Tatort bis 7. Mai 2022 in der ARD Mediathek abrufbar.

Als Bonustrack gibt es eine Live-Aufnahme von „Symphonic Tatort“ vom 25.6.2009 aus dem Prinzregententheater unter der musikalischen Leitung von Ulf Schirmer. A propos: Die Titelmusik wurde 1970 von Klaus Doldinger komponiert. Das Schlagzeug in der Erstfassung spielte Udo Lindenberg.

TATORT Dreams
David Reichelt | Komposition
Münchner Rundfunkorchester | Andreas Kowalewitz
BR-Klassik, 2021

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