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Symbolische Aneignung einer besuchten Welt

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Symbolische Aneignung einer besuchten WeltBis zum 3. Oktober ist im Museum Barberini in Potsdam die Ausstellung »Von Hopper bis Rothko. Amerikas Weg in die Moderne« zu sehen. Stephan Reimertz nimmt US-amerikanische Malerei unter die Lupe.

Das kürzlich in Potsdam gegründete Museum Barberini setzt die Serie seiner monographischen Ausstellungen mit einer Präsentation nordamerikanischer Kunst fort. Knapp siebzig Gemälde aus der Sammlung von Duncan Phillips (1886–1966) in Washington, einem Kunstmäzen, der neben Werken von El Greco, Manet, Mondrian, Picasso usw. auch Arbeiten amerikanischer Maler sammelte. Auf diese konzentriert sich die Ausstellung »Von Hopper bis Rothko. Amerikas Weg in die Moderne«, sie möchte eine Vorstellung davon vermitteln, wie sich die nordamerikanische Kunst vom Ausgang des neunzehnten bis in die Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts entfaltete.

Thomas Eakins: Miss Amelia van Buren, um 1891, The Phillips Collection, Washington, D. C.
Thomas Eakins: Miss Amelia van Buren, um 1891, The Phillips Collection, Washington, D. C.

Es beginnt mit dem traditionell malenden Thomas Eakins und seinem Porträt der Miss Amelia van Buren, ca. 1891, das als Umschlagillustration eines Romans von Henry James eine gute Figur machen würde. Alle ausgestellten Werke bleiben der europäischen Moderne aufs engste verpflichtet. Das gilt auch für Marsden Hartleys im Herbst gemalten Bergsee, um 1910, der ohne das Vorbild der Fauves undenkbar ist, ebenso wie die diversen Stadtveduten von Edward Hopper, den man als einen amerikanischen Nachfolger von Manet bezeichnen kann, wenn er auch die geselligen Szenen des Franzosen durch Inbilder städtischer Einsamkeit und Verlassenheit ersetzt.  Wer auf die Halbinsel Cape Cod reist, wird das Licht finden, das Hopper in seinen Gemälden festhielt.

Leblose Legenden

Szenen Hoppers sind durch Schallplatten-Hüllen, Kalender, Buchumschläge, Reklame und vieles mehr in der ganzen Welt bekannt. Daher ist unser Bild der USA von Hopper ebenso geprägt wie von Ernest Hemingway. Wer in den USA eintrifft, wird sich also wundern, wenn er statt sachlichsauberer puritanischer Exterieurs und Interieurs à la Hopper oder Hemingway von neoviktorianischem Stil überrascht wird. Edward Hopper erscheint uns in seiner kreativen und originellen Abwandlung des Manet-Erbes als genuin nordamerikanischer Maler, als besonders typisch für diesen Kontinent und seinen nach Sinn suchenden Alltag. Zugleich war der New Yorker ein unbestreitbar moderner Mensch, geschlagen mit einer entwickelten Sensibilität und dem unglücklichen Bewusstsein. So gleichen Hoppers Stadtansichten mehr den urbanen Visionen der deutschen Expressionisten als denen seiner nordamerikanischen Landsleute. Wenn etwa ein Ralston Crawford noch im Jahre 1942 ein Schiff und Getreidesilos malt, spürt man an der dick aufgetragenen Frische, wie dem Maler bewusst blieb, dass er hier nur ein Besucher ist. Doch was die meisten Künstler affirmativ mit gespielter Unbefangenheit überdecken wollen, Edward Hopper spricht es in der Melancholie, Trauer und Verzweiflung seiner Kunst aus. Das Leben, das er zeigt, ist nicht lebenswert.

Edward Hopper: Sonntag, 1926, The Phillips Collection, Washington D. C.
Edward Hopper: Sonntag, 1926, The Phillips Collection, Washington D. C.

Vorgeschichte der aktuellen amerikanischen Kunst

Eine genuin US-amerikanische Kunst sollte erst mit Andy Warhol und Roy Lichtenstein einsetzen. Diese Künstler fanden einen völlig neuen Ansatz, indem sie von Industriepropaganda und Kunstgewerbe ausgingen und deren Reproduzierbarkeit thematisierten. Die Sammlung Phillips zeigt im wesentlichen Werke aus der Epoche davor, als sich die US-amerikanischen Künstler noch durch die europäische Kunstgeschichte tasteten. Viele Werke sind technisch und künstlerisch für jedermann nachvollziehbar. So fertigt ein gewisser Kenneth Noland im Jahre 1960 ein Bild namens April, das aus einem Malkurs der Volkshochschule zu stammen scheint.

Das ist das Demokratische dieser Kunst: Man muss keine Kunsthochschule besucht haben, jeder kann sie herstellen, jeder wird zum Künstler. Das gilt auch für die ein Jahr früher fertiggestellte Schwarze See des Malers Milton Avery. Mark Rothko ist mit einem Gemälde unter dem Bezeichnung Ohne Titel aus dem Jahre 1968 vertreten. Nach dem Zweiten Weltkrieg taten die amerikanischen Geheimdienste alles, um die Reste der figurativen Malerei und damit ein humanistisches Weltbild in Europa in den Hintergrund treten zu lassen. Mit der totalen Abstraktion sollte der Weg freigemacht werden für die vollkommene Demokratisierung der Kunst.

So erkennt der Besucher der Ausstellung »Von Hopper bis Rothko. Amerikas Weg in die Moderne« ebenso wie der Betrachter der zugleich stattfindenden Präsentation  »Zeitgenössische Positionen in den USA und Mexiko«, dass auch er selbst ein Künstler ist, der ohne Schulung zu Pinsel und Stift greifen könnte. Er sieht, wie sich die weißen Besucher des amerikanischen Kontinents diesen wenigstens symbolisch zu ihrem Eigentum machen wollen. Diese Ausstellungen sind zugleich eine Art Vor-Schau, welche die Meisterwerke aus der DDR, die ab Ende Oktober im Museum Barberini gezeigt werden, in ihrem kunstgeschichtlichen Glanz umso heller strahlen lassen wird.

Von Hopper bis Rothko. Amerikas Weg in die Moderne
Ausstellung bis zum 3. Oktober 2017

Museum Barberini
Humboldtstraße 5-6
14467 Potsdam

Öffnungszeiten:
Dienstag: geschlossen
Mittwoch bis Montag: 10 – 19 Uhr

14 Euro/10 Euro

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