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Statt Kino: „Unterm Birnbaum“ auf ARTE

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Kapellmeister Cornelius Meister habe sich seinen Namen verdient, schrieb unser Berichterstatter Stephan Reimertz neulich aus Bayreuth. Das gleiche gesteht er nun dem Filmregisseur Uli Edel zu. Auch dieser sei ein Meister, wie man an seiner neuen Verfilmung von Theodor Fontanes Kriminalnovelle erkenne.

Ohne den England-Aufenthalt unseres anglophilen, weltoffenen, konservativ-liberalen Klassikers aus Preußen ist seine Kriminalnovelle Unterm Birnbaum nicht vorstellbar. In ihrer konzisen, gedrungenen, sich wie eine griechische Tragödie entfaltenden Zwangsläufigkeit steht sie nicht nur in Theodor Fontanes Werk, sondern in der gesamten deutschen Literatur der 1880er Jahre, ja darüber hinaus, einzig da. Allenfalls könnte man andere Werke des von Thomas Mann als unerreichbares Vorbild benannten Schriftstellers, wie etwa Irrungen, Wirrungen, Mathilde Möhring oder Effi Briest, daraufhin noch einmal anschauen, ob sie von einem vergleichbaren Uhrwerk des Schicksals angetrieben werden. Als Krimi freilich ist die Geschichte aus dem Oderbruch, in der Gier, Schuld und Sühne einander ohne Zögern auf dem Fuße folgen, unübertroffen und erheischte, wenig überraschend, bereits fünf Verfilmungen.

Die jüngste stammt von 2019 und wartet derzeit in der Mediathek von Arte auf Zuschauer. Uli Edel, Regisseur des legendären, für Westdeutschland nachgerade identitätsstiftenden Streifens Wir Kinder vom Bahnhof Zoo, hat hier ein Beispiel gereifter filmischer Meisterschaft vorgelegt. Ohne jeden billigen Gag – das muss man heute bei einem deutschen Fernsehfilm immer dazusagen – verlegt Edel die Geschichte aus der Fontanezeit in die Jetztzeit. Die Oderbruchlandschaft, Begegnungsterrain der deutschen mit der polnischen Kultur damals wie heute, bleibt unverändert. Zwei Österreicher als Brandenburger in den Hauptrollen, das freilich ist etwas besonderes: Die satte Bildschirmpräsenz von Fritz Karl als Sündenfigur mit dem biblisch anmutenden Namen Abel Hradschek überzeugt ebenso wie die noble Subtilität von Julia Koschitz als seiner Frau Ursula. Die disziplinierte Konzentration auf die Hauptgeschichte, die Perfektion in der Platzierung zahlloser Details und der Kunstverstand, der das alles anordnet, brachten einen sehenswerten, nicht zuletzt auch sehr spannenden, Film hervor. Die mundartliche Korrektheit kann ich natürlich ebensowenig beurteilen wie jene der nord- und südtschechischen Dialekte in Aufführungen von Leoš Janáčeks Schlauem Füchslein, allein dafür gibt es ja die Brüder und Schwestern aus der Ehemaligen, die den Filmdarstellern ihr kritisches Ohr leihen werden. Die Rolle des griechischen Chores übernimmt die neugierige, alles kommentierende Nachbarin Frau Jeschke, gespielt von Katharina Thalbach, die hier ausnahmsweise einmal nicht als Urmutter des Zille-Miljöhs auf den Beinen ist.

Bei arte noch bis zum 20.2.2022 hier zu sehen

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