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Salzburger Festspiele: Klaus Maria Brandauer erzählt die Zauberflöte

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Doch die drei Knaben, ebenso wie die Zuschauer, finden den Originaltext von Emanuel Schikaneder gar nicht so schlecht. Zum Ausklang der Salzburger Festspiele fordert Stephan Reimertz: Macht Schluss mit der Mozart-für-Kinder-Manie!

Als schlechteste Zauberflöte seit Menschengedenken galt bisher die Inszenierung von Marco Arturo Marelli unter der unmusikalischen Leitung von Roger Norrington an der Wiener Staatsoper im Jahre 2000. Ein Mozartrekord in Wien? Das konnte Salzburg nicht auf sich sitzen lassen. Das Salzburger Landestheater war Anfang des Jahres mit einer Figarokatastrophe in Vorlage gegangen; als Bestandteil, man merke wohl, eines »Da-Ponte-Zyklus«. Ein solcher existiert freilich allein in der Phantasie des Intendanten Maldeghem. (Dürfen wir uns demnächst auf einen Boito-Zyklus von Verdi, einen Hofmannsthal-Zyklus von Strauss, einen Bachmann-Zyklus von Henze, einen Wagner-Zyklus von Wagner freuen?) Nun fand man in Salzburg, Mozartkatastrophen sollten kein Privileg des Landestheaters bleiben. Während der Mozartwoche im Jänner präsentierte René Jacobs seine Entführungskatastrophe. Diese Inszenierung war musikalisch und szenisch eine tragische Mischung aus Allem und Nichts. Damit war Salzburg auf die Zauberflötenkatastrophe bei den Sommerfestspielen hinlänglich vorbereitet.

 

Die Zauberflöte 2018: Wiener Sängerknaben (Drei Knaben), Klaus Maria Brandauer (Großvater) © Salzburger Festspiele / Ruth Walz

 

 

Kinderoper für Erwachsene

Bei der Zauberföte merkt man nach wenigen Takten der Ouvertüre, ob die Sache gut oder ob sie baden geht. Das war vor achtzehn Jahren bei Norrington in der Staatsoper völlig klar, und ebenso dieses Jahr in Salzburg bei Kapellmeister Constantinos Carydis. In mozartfremder, ja musikferner Manier wurde die Partitur durchgehechelt, so als wollte jemand einen Schrank im Stil des achtzehnten Jahrhunderts bauen und nähme dafür ausschließlich Stilmöbel zum Vorbild, keine Originale. Was beide Kapellmeister sagen wollten, ist das gleiche: »Wir pfeifen auf Eure Mozartinterpretation und ihre Geschichte. Eure Dirigiertradition des Werkes ist uns gleichgültig; Gustav Mahler, Clemens Krauss, Nikolaus Harnoncourt und wie Eure Dilettanten alle heißen, haben die Partitur gar nicht verstanden. Wir enthüllen nun, wie man das Werk eigentlich spielen muss!«

 

Pseudoinfantilität als Stil unserer Zeit

Erstaunlich, wie die Wiener Philharmoniker sich beiden Dirigenten und ihren abwegigen interpretatorischen Ansätzen unterwarfen, wie sie das Original zum schlechtgemachten Kopie umfälschen ließen. Natürlich kann man zu einem solchen Pseudo-Originalklang nicht singen. Wenn man, wie Mauro Peter als Tamino, einfach nicht bei Stimme ist oder keine solche hat, fällt es weiniger auf. Albina Shagimuratova stemmte sich als Königin der Nacht mit der ganzen Kraft ihrer Stimme und Persönlichkeit gegen die über ihr zusammenbrechende Interpretation und erhielt dafür vom Publikum den verdienten Applaus. Es gibt eben noch Sänger in Salzburg. Von Anfang an fragte man sich, wie unverwüstlich Mozart sei, und ob sich die Musik gegen ihre Interpretation durchsetzen würde. In der Tat erreichte das Orchester am Ende des ersten Teils kurzfristig so etwas wie einen spätbarocken Klang; es sind halt doch die Wiener Philharmoniker. In René Jacobsens Entführung in der Mozartwoche verlief die Entwicklung gerade umgekehrt; er begann mit einem aufregenden Interpretationsansatz, doch die Aufführung lief immer mehr aus dem Ruder, bis am Ende nur noch Trümmer übrigblieben.

Die Zauberflöte 2018: Albina Shagimuratova (Die Königin der Nacht)
© Salzburger Festspiele / Ruth Walz

 

 

Gutenachtgeschichten zum Einschlafen

Zur verfehlten musikalischen Interpretation gesellt sich in der Zauberflöte ein abwegiges Regiekonzept. Regisseurin Lydia Steiner und Bühnenbildnerin Katharina Schlipf präsentieren uns ein vergrößertes Puppenhaus des neunzehnten Jahrhunderts. Ähnlich wie in dem von Neo Rauch gepinselten Bühnenbild des diesjährigen Bayreuther Lohengrins konnte man wieder einmal sagen: Bathus ist auf den Hund gekommen! Die Kostüme von Ursula Kudrna waren sogar ganz nett; in solchem Puppenstubenstil von anno dazumal staffieren Pariser Adelige ihre Kinder aus. Es störte bereits in der ansonsten grandiosen Münchner Zauberflöte, die Ferdinand Hofmann nach der Produktion von Rosamund Gilmore am Gärtnerplatz einrichtete, als die Texte von Emanuel Schikaneder verändert und mit Jargonwörter von heute gespickt wurden. In Salzburg ging man aber noch einen Schritt weiter. In der von Schikaneder nicht vorgesehenen Rolle des Großvaters trat Klaus Maria Brandauer auf die Bühne. Hätte man ihn nicht in Ruhe seine wohlverdiente Sommerfrische in Bad Aussee genießen lassen können? Auch die drei Knaben, denen Opa die Oper als Gutenachtgeschichte vorliest, hätten die Ferien besser zur Vorbereitung auf das nächste Schuljahr genutzt.

 

 

Verwechslung von Ursache und Wirkung

Die Texte, die Brandauer rezitieren muss, sind sterbenslangweilig. Trotz all ihres Infantilismus glaubt die Regie dann inkonsequenterweise auf den Drachen verzichten zu können. Ebenfalls sinnwidrig ist die Charakterisierung der erhabenen Welt des Sarastro als Zirkusmilieu. Man will uns eine Zirkus- und Maschinenwelt präsentieren, um damit an die Umstände des Vorstadttheaters des achtzehnten Jahrhunderts zu erinnern. Dabei handelt es sich allerdings um eine Verwechslung von Ursache und Wirkung. Es wäre hilfreich, an den Universitäten das Fach Theaterwissenschaft abzuschaffen und dafür von allen Studenten Kenntnis der griechischen und lateinischen Sprache und Literatur zu verlangen. Damit würde automatisch viel Schmarren aus Theater und Welt verschwinden. Die neue Inszenierung der Zauberflöte ist nicht durchdacht und weder für Erwachsene noch für Kinder geeignet. Zu solchen Rohrkrepierern in der Oper kommt es immer dann, wenn Unkenntnis und Hochmut von Regisseur und Kapellmeister sich paaren. Wer die Nase hoch trägt, kann nicht in die Noten schauen.

 

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