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Pro Kino: The Most Beautiful Boy in the World

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Ein schwedischer Dokumentarfilm über den Darsteller des Tadziù kommt in deutsche Kinos. Von Stephan Reimertz.

»Those who find ugly meanings in beautiful things are corrupt without being charming«, stellt Oscar Wilde im Vorwort seines Romans fest. Und er befindet: »This is a fault.«

Einen solchen Fehler begingen Kristina Lindström und Kristian Petri, als sie ihren Dokumentarfilm The Most Beautiful Boy in the World über Björn Andrésen, den Darsteller des Tadziù in Luchino Viscontis Verfilmung der Novelle Der Tod in Venedig als puritanische Moralfabel anlegten. Indem sie die aberwitzig schönen Probeaufnahmen des Epheben, Doku-Aufnahmen vom Set, Filmausschnitte, Filmstills und Photos aus seiner Jugend mit der Dokumentation des vermeintlich von seiner jugendlichen Schönheit, seinem frühen Erfolg Traumatisierten in seiner unordentlichen Küche von heute kontrastierten, wollten sie uns ihre Botschaft aufreden: Nicht nur der Film, ebenso wie die Novelle, die ihm vorausging, Produkt einer europäischen Kulturelite, welches in nicht für möglich gehaltener Weise ebenso wie diese die Brücke zur modernen Massengesellschaft schlägt, ist von Übel, sondern die Schönheit selbst.

Hier hat sich der Puritanismus, der keine Konfession, sondern eine Häresie ist, wieder einmal selbst rhetorisch enthüllt. Si tacuisses… Ja, das ist Schweden, die ehemalige Hochkultur, die wie keine andere zur Rettung der germanischen Nationen berufen schien, und die uns alle so bitterlich enttäuschte. Die Filmwurschtler Lindström und Petri zerren den Erlauchten, inzwischen mit langem Haar und Bart Gekrönten nach Japan an die Stätten jugendlichen Triumphes. Zu alten Weggefährten, das ist interessant. Schlageraufnahmen und Mangas, von der Figur des Tadziù inspiriert, das ist überraschend. Aber was soll der reizende alte Herr in seiner damaligen Hotelsuite? Und in Schweden rückt man ihm dann allzusehr auf die inzwischen faltig gewordene Pelle, indem man ihn bei vertrauten Telephongesprächen abfilmt.

Die beiden Dokumentarfilmer sind ihrem Sujet geistig nicht gewachsen. Der Ansatz und darum das Ergebnis sind verfehlt. Wenn wir einen Besuch des Filmes trotz allem empfehlen, dann wegen des verblüffenden und rührenden Bildmaterials und wegen der Bekanntschaft mit einem charmanten, melancholischen alten Herrn namens Björn Andrésen. Erst schöner Ephebe, dann bärtiger Philosoph zu sein, das ist für uns vollkommen aus dem Griechentum gewachsenen Deutsche nichts besonderes, ist eher die Regel, und sollte sich auch bei barbarischen Nordländern inzwischen herumgesprochen haben. Die Musiksauce von Filip Leyman und Anna von Hausswolff stimmt dazu wie die Minzsauce, die in England allenthalben aufs Lammfleisch geschüttet wird. Hätte man in Gottes Namen auf Mahlers unumgängliches Adagietto zurückgegriffen.

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