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Musik und Liebe in „Das Ensemble“

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LiteraturRezension von Barbara Hoppe.

Sie sind jung und sie sind ehrgeizig: Jana, Brit, Daniel und Henry sind 1994 zwischen 20 und 25 Jahre alt und auf dem besten Weg, Weltklassemusiker als Streichquartett zu werden. Wenn, ja wenn sie sich nicht selbst im Weg stehen, diszipliniert bleiben und sich weiterhin blind aufeinander verlassen können. Aber genau das ist das Problem: Wie lange kann ein Mensch, ein Musiker, wie eine geölte Maschine funktionieren? Ohne Fehl und Tadel spielen, wichtige Wettbewerbe gewinnen, den Versuchungen einer Solokarriere widerstehen und seine drei Mitspieler mitreißen?

Aja Gabel war selbst auf dem Weg, die Karriere einer Cellistin einzuschlagen, schwenkte dann aber um und promovierte in den Fächern Literatur und Kreatives Schreiben. Mit „Das Ensemble“ liegt nun ihr Debütroman vor. Und man merkt ihm an, wo das Herz der Autorin schlägt. Mitten hinein begibt sie sich in den ewigen Strudel aus Leidenschaft, Ehrgeiz und Versagensängste, immer in Sorge, nicht gut genug oder zu alt für eine Musikerkarriere zu sein. Eine falsche Note, ein verpatzter Wettbewerb, ein schmerzender Arm und am Horizont taucht das Gespenst des kläglichen Scheiterns auf. Schlimmer noch: Mit dem eigenen Absturz reißt man drei andere mit hinab.

Aja Gabel Das Ensemble
Buchcover: Piper Verlag

So ergeht es Jana, der Kühlen und führenden Kraft des Ensembles, Brit mit ihrer schlichten Hingabe und lieben Art, dem ewig strebenden Daniel und Henry, dem jüngsten und Wunderkind unter den Quartettmitgliedern. Nicht-mehr-miteinander-Wollen, aber Nicht-ohne-einander-Können halten sich die Waage. Das hartnäckige Werben eines Musikmanagers um Henry, ihm eine Solokarriere zu garantieren, sollte er endlich seinen „John-Lennon-Moment“ haben, schwebt wie ein Damoklesschwert über den Vieren. Aja Gabel gelingt es, die feinen Schwingungen des Quartetts untereinander und ihren Einklang beim Spiel sprachlich fein austariert zu entfalten, nicht zuletzt auch durch die porträtartige Darstellung. Sie legt das Brennglas über das Leben dieser vier Musiker und gewährt einen intimen Blick in den Mikrokosmos des Ensembles. Denn hier sind Menschen am Werk, die lieben und sich entlieben. Deren Familien Lust und Frust gleichermaßen sind, deren Vergangenheiten nicht einfach verschwinden können. Und immer müssen sie funktionieren. Gewinnen. Vorankommen. Sich einen Namen machen. 15 Jahre lang leiden und lieben sie miteinander. Sie schaffen es an die Spitze, immer aneinander gekettet, frei als Musiker, doch gefangen im Ensemble, das mehr als ihr eigenes das eigentliche Leben ist.

Die ausdifferenzierte Sprache ermöglicht einen feinen Blick in die psychologischen Tiefen eines Musikerdaseins. Die Stärke von Aja Gabel ist jedoch gleichzeitig auch ihre Schwäche. Zu sehr taucht sie ein in das ständig sich wiederholende Gefühlswirrwar ihrer Protagonisten, in dem sich Musik, Liebe, Sex und Trennung im Kreise drehen. So halten sich dieser Kennerblick in die zwischenmenschlichen Gefühlsschwingungen, in die Welt des Ehrgeizes und Leistungsdruckes mit einem leicht ermüdenden Drehwurm um das immerwährende Thema „Wer liebt wen und warum“ in der Variante „Wer geht mit wem ins Bett und warum“ die Waage.

Aja Gabel
Das Ensemble
Piper Verlag, München 2020
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