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Mozartwoche 2020 in Salzburg: Aus dem Konzerttagebuch von Stephan Reimertz (Teil III)

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Das blutjunge Arminda Quartett aus Berlin spielt ein Preußisches Quartett im Wiener Saal des Mozarteums in Salzburg. Die Flötistin Mathilda Claderini zeigt das von Mozart am wenigsten geliebte Instrument von einer neuen Seite. Auch das Publikum vollbrachte eine große Leistung.

Einen Tag, nachdem die beiden ersten Preußischen Quartette im Großen Saal des Mozarteums verklungen waren, reichte das junge, dynamische Armida Quartett aus Berlin das dritte der vom Komponisten dem preußischen Könige Friedrich Wilhelm II. zugedachte und darum preußisch genannten Quartette nach. Diesmal war der Saal voll; kurz nachdem die Berliner ihre Mitwirkung bei der diesjährigen Mozartwoche angekündigt hatten, war alles ausverkauft. Wir hören Klarheit, Frische, Kraft und Enthusiasmus eines Musikantenensembles, das noch die ganze Wucht seiner jugendlichen Begeisterungsfähigkeit in die Musik zu tragen vermag, ohne dieser je etwas an Komplexität zu nehmen.

Wie komponiert man für einen König?

Martin Funda (1. Viol.) ist ein Primargeiger, der klare Kante zeigt. Johanna Staemmler (2. Viol.) verfügt innerhalb ihrer musikantischen über geradezu anekdotische Qualitäten. Teresa Schwamm (Bratsche) bereichert das Ensemble mit einer Kraft, Dynamik und einem Vortragsgefühl, das zu dem Ruf der oft als lahm verschrienen Bratsche in erfreulichem Kontrast steht. Peter-Philipp Staemmler fiel es zu, die Rolle des Königs auszufüllen, dem, wenigsten im ersten der vorgetragenen Werke, der Cellopart zugedacht war, und der ihn nie spielte. Wie komponiert man für einen König? Man strapaziert seine virtuosen Fähigkeiten nicht allzu sehr und gibt ihm zugleich dankbare Passagen.

Denkwürdiges Spät-Quartett des Meisters

Cellist Staemmler und seine Kollegen wird bald sehr viel stärker gefordert und entledigten sich ihrer Aufgabe wiederum mit Bravour, als es um Mozarts letztes Streichquartett ging, jenes in Es-Dur KV 428 von 1782, dessen chromatisch betontes Andante ernsthafte Beobachter vermochte, es in Beziehung zu jener 82 Jahre später von München ausgehenden harmonischen Revolution in der Musik zu setzen, die für das zwanzigsten Jahrhundert unabsehbare Folgen zeitigen sollte. Es ist ein Moment, da der Komponist sich in einen Moses verwandelt, der das gelobte Land schon sieht aber nicht mehr betreten wird. Als die jungen Leute dieses Vermächtnis des Genies vortrugen, war sich jeder im Saal der Bedeutung des Augenblicks bewusst.

Vom Tablett gespielt

Mit Ausnahme der brillanten Flötistin Mathilde Calderini, die bei ihrem Vortrag der vertrackten Quartette in G-Dur und C-Dur weiterhin auf gedrucktes Notenmaterial vertraut, lesen alle Musikanten die Noten vom Tablett ab, das vor ihnen auf dem Notenständer steht. Zum Umblättern treten sie auf eine kleine Maschine zu ihrem Füßen. Diese sieht man kaum, da die Bühne vorn von Blumengestecken verziert ist, die so aussehen, als habe man sie auf dem städtischen Friedhof ,,ausgeliehen“. Das hochbetagte Konzertpublikum wird auf diese Weise schon einmal eingestimmt und kann den Nachklang dieses unter die Haut gehenden Konzertes auf die lange Reise mitnehmen, die ihm in nicht allzu ferner Zukunft bevorsteht. Obwohl viele Besucher Gehhilfen benötigten, schleppten sich alle die zweieinhalb Stiegen zum Wiener Saal hinauf (ohne Fahrstuhl): auch das ist eine Leistung um der Musik willen, die Anerkennung verdient.

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