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Mozartwoche 2020 in Salzburg: Aus dem Konzerttagebuch von Stephan Reimertz

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Während der Salzburger Mozartwoche sind François Leleux und seine Oboe zu Lieblingen des Publikums geworden. Les Vents Français und das Kodály String Quartett schreiten das Kleine Welttheater von Mozarts Kammermusik für Bläser ab. Ein Instrument allerdings bereitet den Zuhörern am Anfang Probleme.

Das Trio in Es-Dur für Klavier, Klarinette und Viola KV 498, komponiert in Wien am 5. August 1786, und lange unter dem Namen Kegelstatt-Trio bekannt, verblüfft mit seiner ungewohnten Besetzung bis heute. Im Großen Saal des Salzburger Mozarteums freilich kann sich keine Harmonie zwischen den Instrumenten einstellen. Während sich die Bratsche seit Mozarts Zeit kaum und die damals neuartige Klarinette nur unwesentlich verändert hat, unterscheidet sich ein modernes Steinway-Klavier, wie es in Salzburg zum Einsatz kommt, von seinem Vorfahren der Mozart-Zeit wie ein Porsche Carrera von einer zweispännigen Kalesche. Pianist Eric Le Sage, Klarinettist Paul Meyer und Bratschist Zoltán Tuska kommen folglich ihres musikalischen Weges wie die Heiligen Drei Könige, wenn Caspar auf einem Rennmotorrad fährt, Melchior auf einem Rappen reitet und Balthasar zu Fuß geht. Sie können nicht gleichzeitig ans Ziel gelangen. Die Klarinette entwickelt im akustisch austarierten Großen Saal des Mozarteums einen durchschlagenden, bombigen Klang, der die Bratsche durchweg übertönt, jedoch nicht gegen das unangenehm übersteuert klingende Klavier ankommt. An anderem Ort in einem anderen Raum und mit einem anderen Klavier, wo die Proben stattgefunden haben mögen, fällt dergleichen möglicherweise gar nicht auf.

Einsame Wanderer mit Fagott und Cello

Nach dieser Ouverture échouée jedoch entspinnt sich der Rest des Konzerts fast ungestört. Dem Zuhörer wird nach und nach klar, es mit neun herausragenden Musikanten zu tun zu haben, von denen jeder zu seinem Instrument eine besondere Beziehung unterhält. Gilbert Audin und György Éder bringen die B-Dur-Sonate für Cello und Fagott zu Gehör, und wenn auch, wie bei den meisten Stücken der Auswahl, hier das Selberspielen die größte Freude darstellt, beweist doch der meisterliche Vortrag dieses Zwiegesprächs von Wladimir und Estragon und ihrer Wanderung am Rande der Welt, wie viel bereits zwei einsame Spaziergänger auf einem Außenposten des musikalischen Weltalls über den Kosmos zu sagen vermögen.

Triumph der Oboe

Mozart – in Musikwissenschaft und Konzertalltag, auch in Salzburg, hat sich die Schreibung: Wolfgang Amadé durchgesetzt – konnte eine gegebene Besetzung bis in die äußerste Konsequenz entwickeln, ebenso wie das Themenmaterial selbst. Die ungewöhnliche Besetzung des F-Dur-Quartetts für Oboe und drei Streicher, die einen anderen Komponisten leicht auf Abwege des Kuriosen geführt hätten, macht er zu einem vielgespielten Schlager. Und so ist vom ersten Ton der Oboe offensichtlich, wie François Leleux zum Helden des Konzerts avanciert. Kaum lässt Mozart sich auf den elegischen Ton des Instruments ein, vielmehr darf es durchweg im Strahlenden brillieren. Der Jubel des Publikums ist dem sympathischen Leleux sicher. In solchen Momenten tut es dem Besucher besonders leid, wenn viele Sessel leer bleiben. Dies ist bei einer Mozart-Matinée im Sommer niemals der Fall, und man sollte doch Sorge tragen, Musikschülern freigebliebene Plätze anzubieten.

Der Kosmos, dargestellt in Blasinstrumenten

Das Horn verleiht jedem Stück einen anekdotisch-pastoralen oder jagdlichen Charakter, und es ist interessant zu sehen, wie im Es-Dur-Quintett KV 407 Hornist Radovan Vlatković mit den Streichern geradezu symphonisch korrespondiert. Den fürstlicher Höhepunkt dieses denkwürdigen Konzerts bildet das Es-Dur-Quintett für Klavier, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott KV 452, wo der Komponist auf aberwitzige Weise dartut, dass es keine Besetzung gibt, der er nicht den maximalen Ertrag gegenseitiger Inspiration abzuringen vermöchte. Mit vier Blasinstrumenten kontrastiert, ist der Donner-Steinway im Mozarteum für diesmal zwar in seine Schranken gewiesen, auf die Dauer sollte man freilich darüber nachdenken, ob nicht eine Replica eines Instruments alter Bauart sich besser in den kammermusikalischen Rahmen einfügen würde.

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