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Menschen mit Musik: „Von Hirten und Statthaltern“

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Kolumne von Susanne Falk.

Es gibt Berufsgruppen, denen begegnet man eigentlich nur in der Weihnachtszeit. Hirten kommen plötzlich überall vor, in Liedern, Texten, Bilderbüchern. Und ein ganz bestimmter Statthalter wird auch immer wieder gerne erwähnt. Aber: was zur Hölle macht der eigentlich?

Mein großes Kind hat derzeit laufend Bewerbungstraining. D.h. die Kinder lernen, wie man einen Lebenslauf schreibt und machen zahlreiche Onlinetests, mit deren Hilfe sie herausfinden sollen, was sie später einmal werden möchten. Hirten und Statthalter kommen da nicht vor, der Beruf des Zimmermanns schon eher. Ganz aus der Mode ist heute die Ausbildung zum despotischen König/ Kindermörder. Gleichfalls nicht mehr gefragt sind Volkszähler, könnten aber beizeiten ein Revival in der Verwaltung erleben.

„Was interessiert dich denn?“, frage ich das Kind und nach langem Hin und Her kommt etwas im Bereich Grafik heraus. Grafikerinnen und Grafiker gab es in der Weihnachtsgeschichte schon mal überhaupt nicht. Umgekehrt verschaffen Weihnachtsbücher, Adventskalender und Verpackungen aller Art Grafikerinnen und Grafikern ein gutes Auskommen zur Weihnachtszeit. Das ist nur recht und billig, man will ja schließlich von etwas leben können, etwas anderem als Weihrauch und Myrrhe. Gold geht da gerade noch eben so, wobei der Goldpreis ja durchaus schwankt…

Auch recht häufig erwähnt werden in der Vorweihnachtszeit alle Berufe die mit dem Wasser zu tun haben. Es kommt ein Schiff geladen… Na, wer steht da wohl an der Pinne? Das Schiff hat ja nun wenigstens einen Kapitän und einen Steuermann, wahrscheinlich auch einige Matrosen an Bord. Das kommt in einem Binnenland wie Österreich übrigens bei den Berufsgruppen, die den Kindern vorgestellt werden, nicht einmal ansatzweise vor. Als wäre noch nie ein Mensch aus Österreich zur See gefahren…

Weiter im Text. Gastwirte kommen ja in der Weihnachtsgeschichte gar nicht gut weg, gibt es aber wie Sand am Meer, ist also immer eine Option. Wer nichts wird wird Wirt. Man sollte meinen, in einem der vielen Weihnachtslieder würde vielleicht auch mal ein Beruf erwähnt, der zur Weihnachtszeit passt – Kerzenzieher zum Beispiel. Oder Papierfabrikant! Immerhin verpacken wir alle unsere Geschenke zu den Feiertagen. Da hätte man diesem Berufsstand ja auch mal ein Lied widmen können! Aber nein, Niklaus legt, lustig, lustig, tralalalah, seine Geschenke auf Tellern ab. Wenn man es genau nimmt, ist das eigentlich sehr fortschrittlich gedacht weil verpackungsarm. Niklaus ist demnach ein guter Mann, weil er an die Umwelt denken kann. Niklaus hat wahrscheinlich Kinder, die ihn zu Fridays for Future mitschleppen, während er eigentlich viel lieber beim bösen Wirt sitzen würde, um sich über den blöden Statthalter aufzuregen, weil der nämlich dauernd die Steuern erhöht. So eine Volkszählung finanziert man ja nicht mit ein paar popeligen Vanillekipferln, das kostet. Und wer soll’s bezahlen? Die Hirten? Die haben ja selber nichts!

Ich schweife ab. Die Vorweihnachtszeit ist definitiv keine gute Zeit, um sich über seine Berufswahl klar zu werden. Es sei denn man wird Engel. Die mag jeder! Ich frage mich, ob die Arbeiterkammer dazu wohl auch einen Berufseignungstest entwickelt hat. Voraussetzungen: Schwindelfrei, gut singen können, streng gucken, weiße Klamotten. Machbar, würde ich sagen…

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Ein Gedanke zu „Menschen mit Musik: „Von Hirten und Statthaltern““

  1. Köstlich! Herzlichen Dank für den Beitrag. Ich habe mich sehr amüsiert.

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