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Menschen mit Musik: „Hymnisch“

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Kolumne von Susanne Falk.

Sie sind der einzige Grund, warum ich bei Wettbewerben wie den Olympischen Spielen überhaupt zuschalte und nicht gleich schreiend aus dem Raum renne, wenn sich ein internationales Fußballspiel ankündigt: die Hymnen. Ich liebe den Moment, an dem Menschen, völlig überwältigt von den eigenen Emotionen, auf einem Podest stehen und heulend vor Glück ihre eigene Landeshymne mitsingen. Das wird in diesem Jahr ein wenig anders sein.

Stellen Sie sich mal vor, Ihr Kind schummelt bei einer Schularbeit, wird erwischt und bekommt als Strafe aufgebrummt, dass es in naher Zukunft seine Jause nur noch in einer ollen, langweiligen Tupperdose aus Omas Hausstand mit in die Schule bringen darf und nicht mehr in der coolen Spidermandose. Da dürfte der Lerneffekt gegen Null tendieren, das Kind wird wieder schummeln. Das IOC, nicht gerade bekannt für seine guten Entscheidungen, hat das jetzt so ähnlich fürs russische Team entschieden: Aufgrund von Doping dürfen die nicht als Team für Russland antreten, keine Fahne schwingen und auch nicht die eigene Hymne singen, aber mitmachen können sie trotzdem. Wahnsinn! Super mitgedacht, liebes IOC. Die ultimative Strafe lautet also, nicht singen zu dürfen! Na, das wird die Dopingsünder dieser Welt sicher hart treffen…

Sicher, es gibt Hymnen, auf die man auch gerne verzichten kann. Manche sind musikalisch wenig ansprechend (die österreichische Bundeshymne gibt da leider nicht viel her), bei anderen darf man sich besser nicht auf den Text konzentrieren (die amerikanische ist z.b. reichlich gewaltverherrlichend, insbesondere die dritte Strophe, und die französische nicht minder). Überhaupt den Vogel abgeschossen haben wir Deutschen mit unserer Nationalhymne: komponiert von einem Österreicher, gedacht für den österreichischen Kaiser (!), von den Nazis weidlich missbraucht, zwei Drittel des Textes daher zu recht verpönt und der Text stammt von einem Mann, der erstens judenfeindlich und zweitens mit seiner leiblichen Nichte verheiratet war (er 51, sie 18). Na bravo. Ist uns da in den vergangenen Jahrzehnten eigentlich nichts Besseres eingefallen?

Nun können die Deutschen natürlich auch einfach auf die Europahymne ausweichen: Trotz wechselhafter Geschichte ist die Kombination Schiller/ Beethoven unverfänglicher als die Haydn/Hoffmann von Fallersleben, wobei Haydn da über jeden Zweifel erhaben ist. Oder aber wir leben Europa mal so richtig als Vielvölkerkontinent mit entsprechend vielen Hymnen und machen eine Art Sport draus: Jedes Mitglied der europäischen Union singt jedes Jahr eine andere Hymne. Das geht einfach reihum. In diesem Jahr halt die niederländische, im nächsten dann mal die italienische Hymne usw. So preisen wir im Wechsel die jeweils anderen Nationen. Könnte man machen. Kann man aber auch sein lassen. Wer merkt sich schon so einfach 27 Lieder in diversen Sprachen? Wobei ich den Gedanken sehr schön fände, das Prinzip wenigstens vor Fußballspielen einzuführen: Man singt immer die Hymne der jeweiligen Gegner. Ob die Spieler nun da stehen und in ihrer eigenen Sprache oder in einer fremden vor sich hinbrummen, ist ja wohl egal.

Letzter Vorschlag zur Güte: Die einzige, gültige Hymne Europas und aller Nationalstaaten ist stets für die Dauer von einem Jahr das jeweilige, diesjährige Gewinnerlied des ESC. In diesem Jahr wäre das dann „Zitti e buoni“ von Måneskin aus Italien. Keine schlechte Wahl. Da gab es schon wesentlich Schlimmeres. Und die Vorstellung, Angela Merkel evt. ehrenhalber mit dem Klassiker „Waterloo“ von ABBA aus dem Amt zu verabschieden, hat etwas für sich.

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