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Menschen im Museum: „Wir sind Kunst“

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Menschen im Museum. Kolumne von Susanne Falk

Kolumne von Susanne Falk.

Sie sind überall! Auf jedem Körper und an nahezu jeder sichtbaren Körperstelle lassen sich dieser Tage Tattoos finden. Gehe ich mit den Kindern in eines der vielen Wiener Freibäder, dann ist Kunst am Körper allgegenwärtig, mal mehr, mal weniger kunstvoll gemacht. Mittlerweile ist beinahe jeder tätowiert in dieser Stadt – nur ich nicht. Ich weigere mich standhaft, das zu tun was alle tun und bleibe (vorerst) mal „in Natura“. Wenn der Trend zum Tattoo irgendwann nachlässt (und alle ihre lächelnden Totenschädel wieder weglasern), dann werde ich mir vielleicht auch eines stechen lassen. Aber dann bewusst gegen den Trend! Ich lese Bestseller ja auch erst dann, wenn sie schon alle gelesen haben und höre, wenn schon Pop, dann am liebsten billige Popsongs von vor drei Jahren.

Nun ist es so, dass man nicht nur Kunst am Körper sondern auch Kunst mit dem Körper betreiben kann – auf vielfältige Art und Weise. Unter dem Motto #dubistkunst hatte der ORF kürzlich sein Publikum aufgerufen, sogenannte „Lebende Bilder“ nachzustellen. Viele kamen dieser Einladung nach und schmissen sich mit Enthusiasmus auf die Darstellung von Klimt, Vermeer und Rubens. Was dabei herauskam, kann man u.a. hier nachlesen: Gewonnen hat den Wettbewerb Andreas Kandler mit einer sehr originellen Gruppendarstellung des Klimt-Bildes „Die Jungfrau“. Auffällig war, dass die Darstellung des Menschen dabei im Vordergrund stand. Lediglich das berühmte Suppendosenbild Andy Warhols schaffte es unter die Besten. Alle anderen „Lebenden Bilder“ ziehen ihre Faszination vor allem aus der detailgetreuen (und oft auch aufwendigen) Nachahmung menschlicher Gesichtszüge, die schon Jahrhunderte zuvor auf Leinwand gebannt worden waren und nun ihre einzigartigen Doppelgänger gefunden zu haben schienen. Doch das Nachstellen großer Kunstwerke ist beileibe keine Erfindung des ORF, sondern reicht bis ins 18. Jahrhundert zurück. Als Begründerin dieser Kunstform wird mehrfach Félicité de Genlis angeführt, aber auch Lady Emma Hamilton stand für diese sehr spezielle Art der Performance Patin.

Nun haben die bevorzugt in Fußgängerzonen herumlungernden lebenden Statuen oft keinen sonderlich hohen künstlerischen Gestaltungswillen, aber sie stehen dennoch in der Tradition genau dieser „Lebenden Bilder“. Es mag eine vor dem Sparmarkt auf Spender lauernde Venus von Milet vielleicht nicht sonderlich überzeugend wirken, noch weniger die goldene Mozartstatue vor Schönbrunn, aber sie erinnern uns daran, dass wir alle Kunstwerke sind – in unserer ganz eigenen, spröden Art. Viele tragen dies auch auf ihrer Haut spazieren. Andere sind mehr innerlich ein Vermeer als äußerlich, wiederum andere singen sich heimlich unter der Dusche die Seele aus dem Leib und ganz Schüchterne träumen sich einfach nur hinein in ein anderes Leben, das so gar nicht dem ihren entspricht. Aber ganz gleich, womit wir uns behängen, bemalen oder unseren Geist anfüllen: Wir alle sind Kunst, originell, kostbar und einzigartig. Also, geben wir uns einen Ruck und spenden wir ein paar Cent an die nächste Statue auf unserem Weg. Denn: Unter der Maskerade eines C-3PO aus Glitzer und Alufolie steckt womöglich ein echtes Kunstwerk.

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