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Menschen im Museum: „Museumsalltag“

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Menschen im Museum. Kolumne von Susanne Falk

Kolumne von Susanne Falk.

Er ist hässlich. Er lässt sich schwer reinigen. Er säuft Batterien leer, als kämen die Dinger direkt aus der Ottakringer Brauerei. Und: Er fristet sein unglückliches Dasein in meiner Küchenschublade, seit ich ihn durch ein weit effektiveres Gerät ersetzt habe. Und trotzdem ist er immer noch da, mein Milchschäumer.

Das hat natürlich mehrere Ursachen. Erstens: Ich bin, wie der Wiener so sagt, extrem schlampert. Ausmisten ist nicht mein Ding. Zweiten: Die Küchenschublade ist recht geräumig und so findet das Teil dort bequem Platz zwischen Brotmessern und Suppenkellen. Was nicht stört, wird auch nicht entsorgt. Das ist meine Maxime. (Take that, Marie Kondo!) Und, zu guter letzt: Er funktioniert noch. Dinge wegzuschmeißen, die noch funktionieren, finde ich furchtbar. Selbst dann, wenn man den winzigen Handmilchschäumer längst durch so ein fancy Induktionsmilchschäumgerät ersetzt hat. (Das im Übrigen enorm viel Platz braucht, im Gegensatz zu dem Ding in meiner Küchenschublade.)

Es sind diese Alltagsgegenstände, die wir in der Handhabung kaum noch wahrnehmen, weil sie so selbstverständlich für uns geworden sind, die uns das Gefühl von (technischem) Fortschritt vermitteln. Allein, dieser Fortschritt ist trügerisch. Erinnert sich jemand noch an Staubsauger ohne Strom? Oder besitzt jemand von Ihnen ein Grammophon? Sie machen sauber (und man braucht keine Staubsaugerbeutel zu kaufen, begleitet von der nie enden wollenden Diskussionen zum Thema „Wieso gibt es die nicht mehr wenn es das Gerät dazu doch aber noch gibt?“) oder sie machen eben Musik. Nicht perfekt, manchmal ziemlich kratzig, aber sie funktionieren. Und im besten Fall funktionieren sie ziemlich lange. Muss man sie deswegen zwingend ersetzen, nur weil etwas Besseres unseren Konsumentenweg kreuzt?

Im Technischen Museum Wien gibt es eine Abteilung, die man schlichtweg „Alltag“ genannt hat. Hier finden sich technische Objekte des täglichen Bedarfs, vom Toaster bis zum Staubsauger und dokumentieren den Fortschritt der Alltagstechnik vom Beginn des 20. Jahrhundert bis in die Gegenwart hinein. Zugegeben, mit den Rasierapparaten der 1960er Jahre würde ich mich als Mann auch nicht mehr rasieren wollen. Und nein, Bügeleisen aus den 1970ern sind auch nicht das Gelbe vom Ei. Die elektrische Kaffeemühle dagegen nehme ich gerne mit.

Untermalt wird die Ausstellung durch einen Klangteppich aus Hausfrauensendungen und – werbungen des vorigen Jahrhunderts, in denen Männer Frauen erklären, wie ein solches Bügeleisen denn zu handhaben sei, begleitet von der Aussage der Frau: „Sie sind ja so gescheit!“ Das ist gruselig und überaus komisch zugleich. Und bestärkt mich gerne darin, der Werbung von heute ebenso wenig zu trauen wie der aus den 1960er Jahren.

Wirklich absurd wird es aber dann, wenn diese Gegenstände des vorigen Jahrhunderts, geliebt, gehegt und gepflegt, ihren Weg an die Pforte des Museums finden – und zwar wortwörtlich. Da stehen dann gut zwei bis drei Mal pro Woche Menschen jeden Alters am Hintereingang des Technischen Museums herum, und wollen den Sammlungen des Hauses ihren perfekt erhaltenen Wäschetrockner von 1956 übereignen, wahlweise einen Milchschäumer aus dem Jahre 2002. Denn: Das Teil ist gut erhalten und funktioniert ja auch noch. Warum also nicht Omas geliebten Gemüseschneider statt auf den Sperrmüll ins Museum tragen?

Dieser museale Sperr- und Sondermüll, der ja eigentlich gar keiner ist (wie gesagt, er funktioniert ja noch!!!), kam allerdings in so großen Mengen beim Museum an, dass man irgendwann die Reißleine ziehen musste. Sonst wäre ja das Depot in kurzer Zeit voller Gemüseschneider gewesen. Und ein Museum, das muss man leider so deutlich sagen, ist kein Altwarenhändler. Einmal angenommen und katalogisiert dürfte man den Barttrimmer von 1973 ja nicht mehr veräußern.

Stattdessen sollte man dazu übergehen, die Menschen zur weiteren Verwendung ihres elektrischen Erbes zu ermutigen. Irgendwann gibt auch mal Omas Gemüseschneider den Geist auf, zwanzig Jahre früher oder später. Bei meinem Milchschäumer warte ich dagegen noch ab. Wer weiß schon, wie lange so ein Induktionsgerät hält? Außerdem versteht sich der Kleine so gut mit dem Schneebesen. Sie verhaken sich quasi ständig ineinander. Ich krieg die Schublade schon seit ein paar Tagen nicht mehr auf…

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