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Menschen im Museum: „Mein anderes Ich“

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Menschen im Museum. Kolumne von Susanne Falk

Kolumne von Susanne Falk.

Als ich noch als junges Au-pair-Mädchen durch Italien wandelte und quasi jedes Museum mitnahm, das irgendwo am Weg lag, tat ich dies in der Regel als mein anderes Ich. Soll heißen: Aus Susanne Falk, Germanistikstudentin und Au-pair aus Deutschland wurde am Ticketschalter eines Kunsttempels plötzlich Elizabeth, Studentin der Kunstgeschichte mit auffälligem britischem Akzent und schleierhafter Identität. Der Grund: das liebe Geld.

Studierende der Kunstgeschichte haben es nicht leicht. Sie bekommen trotz hervorragenden Uniabschlusses selten einen Job in ihrem Bereich und falls sie doch endlich einen ergattern können, dann ist der häufig mies bezahlt. (Nicht, dass es Germanisten da besser ergeht, aber sei es drum…) Einen Vorteil gibt es allerdings: Wenn Sie sich als Studentin der Kunstgeschichte oder als Mitglied einer Kunstuniversität ausweisen können, bekommen Sie, vor allem in Italien, häufig freien Eintritt in Museen.

Dass dem so war, hatten meine Freundin Sarah und ich ziemlich schnell mitbekommen und genauso schnell unsere internationalen Studentenausweise (meiner aus Deutschland, ihrer aus Großbritannien) verschwinden lassen. Stattdessen versuchten wir es fortan mit einer neuen Identität als Studentinnen der Kunstgeschichte. Und weil wir so viel Zeit zusammen verbrachten, übernahm ich wie beiläufig den Akzent meiner britischen Freundin, so dass wir dank unserer bleichen Gesichter, mangelndem Modegeschmack und heftigem Watford-Akzent nunmehr beide als Britinnen wahrgenommen wurden, die ganz dringend und ohne Geld die Römischen und Florentiner Museen besuchen wollten.

Dass das moralisch verwerflich sein könnte, war uns bei den damals schon hohen Eintrittspreisen herzlich wurscht. Wir logen und flirteten uns an den Ticketschaltern vorbei, was das Zeug hielt. Ausweisen konnten wir uns nie. Aber das war in der Regel auch nicht erforderlich und hätte in meinem Fall auch wenig genützt, hatte ich mir doch gleich auch noch einen neuen Vornamen zugelegt. Nötig war das nicht, fühlte sich aber plausibler ab. Es war ja nicht Susanne, die sich die zehntausend Lire für das Eintrittsgeld ersparen wollte, sondern Elizabeth.

In zwei von drei Fällen ließ man uns anstandslos und ohne Eintritt zu verlangen hinein. In den anderen Fällen bot man uns einen Deal an: Wir bekämen einfach ein ermäßigtes Ticket, wenn wir es nicht an die große Glocke hängen würden, dass man uns verbilligt eingelassen hatte. Wir schworen, dies Geheimnis für uns zu behalten und genossen im Anschluss eine Ausstellung über El Greco zum halben Preis.

Wenn ich heute Museen betrete und sehe Menschen an der Kasse um Tickets feilschen, finde ich das hochnotpeinlich. Und trotzdem kann ich sie verstehen, etwa wenn man für den Einzeleintritt in die Wiener Albertina stolze 16 Euro verlangt. Es ist ja nicht so, dass sich der Besuch der Albertina nicht lohnen würde, aber welcher Mensch fängt bei 16 Euro nicht innerlich an zu stöhnen? Ich denke dann stets an meine liebe Freundin Sarah zurück, deren flehender Augenaufschlag Steine erweichen konnte und bezweifle, dass wir mit unserer Nummer heute noch durchkommen würden. Völlig zurecht, denn Museen brauchen das Geld zum Erhalt der Sammlungen, des Hauses und für die Begleichung von Personalkosten. Und dennoch – manchmal ertappe ich mich dabei, wie sich beim Bezahlen der Eintrittskarten der Hauch eines britischen Akzents bei mir bemerkbar macht.

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